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Eine logische Zusammenkunft: Nazis bei „Querdenken“-Demos

Der folgende Redebeitrag wurde bei den antifaschistischen Protesten gegen die „Querdenken“-Demo am 11. Dezember 2021 in Frankfurt gehalten. In abgewandelter Form wurde er zudem am 27. Dezember 2021 in Mühlheim am Main vorgetragen.

In den vergangenen Wochen sorgten die sogenannten „Konsulatsproteste“ in Frankfurt, also jene Demonstrationen, die vom österreichischen Konsulat am Reuterweg aus durch die Innenstadt zogen, für einigen Wirbel. Die große öffentliche Aufmerksamkeit lag nicht zuletzt darin begründet, dass Nazis offen erkennbar als Nazis inmitten der Demo liefen und letztere sich nicht sichtbar abgrenzte: Am 27.11. fielen dabei vor allem Mitglieder der sogenannten „Identitären Bewegung“, teils zugleich extrem rechte Burschenschafter, auf, die ein Transparent mit der Aufschrift „Heimatschutz statt Mundschutz“ mit sich führten. Am letzten Samstag, dem 4. Dezember, waren es dagegen Mitglieder der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ um deren Vorsitzenden Klaus Armstroff, die in Parteikleidung und mit Werbeschildern die verbotene Demo besuchten. Hatte die AfD-Reisegruppe um den hessischen Landesvorsitzenden Andreas Lichert, die eine Woche zuvor aufgeschlagen war, noch die Parteilogos abgeschnitten, nutze der „III. Weg“ die Demonstration der Corona-Leugner*innen und Impfverweigerer*innen nun offensiv als eigene Werbeplattform.

Während der Aufschrei in der Öffentlichkeit – und auch innerhalb der linken Szene – zurecht groß war, dass FaschistInnen weitgehend ungestört und offen durch Frankfurt laufen können, so stellt sich dennoch die Frage, wie überraschend das extrem rechte Schaulaufen bei den verschwörungsideologischen Demos der letzten Wochen letztendlich ist. Dass Nazis bei Demos aus dem „Querdenken“-Spektrum mitlaufen, ist letztlich kein Skandal, sondern nur logisch: Die Positionen, die auf den Demonstrationen vertreten werden, sind reaktionär, biologistisch, sozialdarwinistisch und in jeder Hinsicht offen zu Antisemitismus und völkischem Denken. So wird der Startpunkt der Demonstrationen in den Telegram-Gruppen als „Park am Reuterweg“ bezeichnet – offenbar um den eigentlichen Namen des Rothschildparks zu vermeiden, schließlich sind „die Rothschilds“ ebenso wie etwa George Soros ein zentrales Feindbild im antisemitischen Denken.

An den Laternenpfählen am Rothschildpark verklebten TeilnehmerInnen der Demo massenweise Aufkleber, auf denen die Behandlung von Impfgegnerinnen völlig unverblümt mit der Verfolgung von Juden und Jüdinnen im Nationalsozialismus gleichgesetzt wird, ein Teilnehmer führte eine Tafel mit sich, auf der Corona-Impfstoffe als „Zyklon C“ benannt wurden. In Anlehnung an das Gift Zyklon B, mit dem die Nazis im Todeslager Auschwitz-Birkenau ihre Massenmorde verübten. 

Am 4. November verharmloste ein Redner an der Frankfurter Hauptwache den Holocaust, indem er 7 Millionen ermordete Jüd*innen der erfundenen Zahl von 200 Millionen Verstorbenen durch Corona-Maßnahmen gegenüberstellte. Am 27. November war es im Rothschildpark ein Party-DJ aus Wiesbaden, der ähnliches äußerte. 

Die NS-relativierenden Reden und Holocaustverharmlosung auf den Querdenken-Demos kommen meist nicht von organisierten Teilen der extremen Rechten, sondern vielmehr von Leuten aus der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“, oft von wildgewordenen Kleinbürger*innen in scheißteuren Outdoor-Klamotten, die sich in infamer Weise als „die Juden von heute“ inszenieren. Es ist einfach nur gräßlich und widerlich. Die wenigsten dieser Personen sind zuvor politisch exponiert und antifaschistischen Recherchestrukturen daher nicht bekannt gewesen.

Nicht die wenigen Dutzend bekannten oder erkennbaren Nazis sind der eigentliche Skandal, sondern die reaktionären Positionen, die innerhalb der „Querdenken“-Bewegung schon längst in der Mehrheit sind. Es ist nur folgerichtig, wenn dann auch Nazis aufkreuzen. Aus antifaschistischer Perspektive gilt es darum, sowohl auf die Präsenz von Neonazis und anderen extremen Rechten hinzuweisen, als auch auf die Gefahr, die auch vom Gros der Demonstrationsteilnehmer*innen ausgeht. Das bedeutet auch, dass der Gegenprotest nicht nur auf der Skandalisierung der Anwesenheit “bekannter” Neonazis aufbauen sollte. Stattdessen ist es notwendig, darüber zu reflektieren, warum deren Anwesenheit dafür sorgt, dass sich Gegenprotest organisiert, und die verschwörungsantisemitischen Demos ansonsten weitgehend ungestört laufen können.

So gut wie alle Teilnehmer*innen der „Konsulatsproteste“ in Frankfurt teilt ein verschwörungsideologisches Weltbild, in dem Antisemitismus eine zentrale Rolle spielt. Auf kurze Sicht hilft da nur, ihnen ihre Demonstrationen madig zu machen und sie zu stören. Auf lange Sicht brauchen wir mehr Analyse und Auseinandersetzung zur Rolle von Verschwörungsideologien. Notwendig ist außerdem, linke Perspektiven auf die sozialen Verwerfungen im Zuge der Pandemie zu stärken und auf der Straße sichtbar zu machen.

Für einen konsequenten Antifaschismus und solidarisches Handeln in der Krise!

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Den „Querdenkern“ keine Ruhe! Am 11. Dezember auf die Straße!

Treffpunkt für Proteste: 11. Dezember 2021, 13 Uhr, Willy-Brandt-Platz

Die letzten Aufmärsche der Corona-Leugner*innen mobilisierten innerhalb kurzer Zeit viele Personen auf die Straße. Daher rufen wir für den 11. Dezember auf, zur Gegenkundgebung an den Willy-Brandt-Platz zu kommen und „Querdenkern“ breit aufgestellt entgegenzutreten.

Die vergangenen anderthalb Jahre, nicht zuletzt der Mord in Idar-Oberstein haben gezeigt, dass unter dem Label „Querdenken“ extrem rechte und antisemitische Positionen in die Öffentlichkeit getragen werden und tödlich enden können. Auch bei der letzten größeren „Querdenken“-Veranstaltung am 04. Dezember in der Frankfurter Innenstadt haben die Corona-Leugner*innen versucht, ihre Aufmärsche mit Gewalt durchzusetzen und dabei auch Aktivist*innen des Gegenprotests gewaltsam angegriffen. Daher heißt es erneut: Kein Angriff bleibt unbeantwortet!, „Querdenker“ aus Frankfurt vertreiben!

Schon jetzt wird in „Querdenker“-Gruppen dazu aufgerufen, erneut nach Frankfurt zu kommen und dort zu protestieren. In Aschaffenburg soll es auch wieder eine bundesweit mobilisierte Demonstration geben, doch die Aufrufe in den Gruppen auf Telegram und die Erfahrung der letzten Wochen hat gezeigt, dass wir auch kurzfristig mit einer hohen Zahl an „Querdenkern“ rechnen müssen.

Als Bündnis Aufklärung statt Verschwörungsideologien (ASVI) rufen wir euch daher dazu auf, am 11. Dezember ab 13 Uhr zahlreich auf den Willy-Brandt-Platz zu kommen. Ihr könnt helfen, den “Querdenker”-Aufmarsch zum Desaster zu machen, indem ihr den Aufruf verbreitet, euren Freund*innen und Genoss*innen Bescheid gebt und natürlich in dem ihr mit uns auf die Straße geht! Beteiligt euch in welcher Form auch immer an den Gegenprotesten, wir freuen uns über jede Form des Protests! Antifa in die Offensive! 

Um den antisemitischen und sozialchauvinistischen Inhalten von Querdenken auch inhaltlich zu begegnen, wollen wir auch unsere eigene solidarische Perspektive auf die Straße bringen. Wir fordern einen solidarischen Umgang mit der Pandemie: Die Freigabe der Impfpatente und die gerechte Verteilung von Impfstoff weltweit! Wir fordern menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der Pflege und ein Ende der Privatisierungen im Gesundheitswesen! Wir fordern eine vernünftige Sozialpolitik, die es den Menschen tatsächlich erlaubt, zu Hause zu bleiben. Das heißt: Finanzielle Unterstützung für Menschen mit niedrigem Einkommen, ein Aussetzen aller Zwangsräumungen wie beim Wagenplatz am Ostbahnhof und die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten.

Weitere Infos findet ihr in den kommenden Tagen auf unseren Kanälen und unter dem Hashtag für den Tag #ffm1112.

Treffpunkte für Gegenprotest: 13 Uhr, Willy-Brandt-Platz

 

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Wer läuft denn da? Rückblick auf die Demos am 20.11. und 27.11.

Alle in diesem Beitrag verwendeten Bilder sind urheberrechtlich geschützt. Die Rechteinhaber*innen können bei uns erfragt werden.

Schon in Presseberichten nach der Demonstration vom vergangenen Samstag war von „rechtsextremer Beteiligung“ die Rede. Mit diesem Beitrag möchten wir schlaglichtartig auf einige Figuren der extremen Rechten hinweisen, die die Frankfurter Corona-Leugner*innen-Demos der letzten beiden Wochen besuchten.

Die AfD auf den Demos
Der neugewählte hessische AfD-Landesvorsitzende Andreas Lichert (hinten rechts mit Schild) am 27.11.2021 auf dem Frankfurter Opernplatz.

Auch die AfD war zumindest auf der Demonstration am 27.11.2021 präsent. Der am Wochenende zuvor beim Landesparteitag in Frankfurt-Zeilsheim gewählte Landesvorsitzende Andreas Lichert, inhaltlich der sogenannten „Neuen Rechten“ zuzuordnen, lief in der Demonstration mit und ließ es sich dabei nicht nehmen, ein Schild aus einem abgeschnittenen AfD-Wahlplakat zu tragen, auf dem sein eigenes Gesicht ist. Auch ein weiteres Schild in AfD-Optik, aber ohne AfD-Logo, war in der Demonstration in Licherts Nähe unterwegs.

Ein altes GEsicht: Manuel Mann
Am 20.11.2021 Teil der Corona-Leugner*innen-Demonstration: Der Neonazi Manuel Mann (Bildmitte) aus dem Raum Marburg.

Bei der Demonstration am 20. November war der mittelhessische Neonazi Manuel Mann anwesend. Mann war 1999 im „Volkstreuen Komitee für gute Ratschläge aktiv“, in den Jahren 2003/2004 beim „Aktionsbündnis Mittelhessen“ (ABM), das in dieser Zeit mehrere Neonazi-Demonstrationen in Marburg und Gladenbach, sowie mehrere Rechtsrock-Konzerte in Kirtorf veranstaltete. 2009 kandidierte Mann bei den Bundestagswahlen für die NPD. Im Mai letzten Jahres war Mann bereits in Marburg bei Corona-Leugner*innen-Demonstrationen aufgefallen und griff eine Person an, die er der antifaschistischen Gegendemonstration zurechnete. Mehr Informationen über Manuel Mann finden sich bei der Kampagne „Stadt, Land Volk“.

Ein Transparent der Identitären?
Das Transparent mit der Aufschrift „Heimatschutz statt Mundschutz“ auf der Demo am 27.11.2021

Am vergangenen Samstag war ein Transparent mit der Aufschrift „Heimatschutz statt Mundschutz“ auf der Demonstration zu sehen. Skurrilerweise trug eine Person, die an der Aktion beteiligt war, allerdings selbst einen medizinischen Mundschutz (im obigen Bild links neben dem Banner). Es handelt sich um dasselbe Transparent, das bereits am 30.05.2020 in Frankfurt zu sehen war, damals in einer Gruppe um Felix Straubinger.

Die verantwortliche Gruppe kurz vor dem Entrollen des Transparents.

Eine insgesamt achtköpfige Gruppe brachte das Transparent mit auf die Demonstration und setzte sich zeitweise an deren Spitze. Nicht alle aus der Gruppe sind uns namentlich bekannt, wir freuen uns daher sehr über Hinweise!

NS-Symbolik und -Relativierung
Ein Teilnehmer der Demo am 27.11.2021, auf dessen Schild Corona-Impfstoffe als „Zyklon C“ bezeichnet werden.

Wie bereits bei vorangegangenen Demonstrationen der Corona-Leugner*innen setzt sich die Tendenz zu NS-relativierenden Schildern, Plakaten und Slogans weiterhin fort. So bezeichnete ein Teilnehmer auf seinem Schild die Corona-Impfung als „Zyklon C“, in offensichtlicher Anspielung auf das in den Konzentrationslagern des NS-Regimes verwendete Gift Zyklon B.

Ein Teilnehmer trägt am 27.11. eine Sträflingsuniform mit einer roten Armbinde, auf der in einem weißen Kreis „ungeimpft“ steht.

Diese Art der NS-Relativierung ist dabei nicht die einzige Art des Umgangs mit NS-Symbolik. Ein Teilnehmer trug am 27.11.2021 einen Sträflingsanzug als Kostüm mitsamt einer Armbinde, die an die Hakenkreuzarmbinden der Nazis angelehnt ist. Diese ist rot, und in einem weißen Kreis steht das Wort „Ungeimpft“. Die Aussage dieses Kokettierens mit NS-Symbolik: Die ungeimpften sind die neuen Nazis.

Die mobilisierte „Mitte“
Auch das war Teil der Demo am 27.11.2021: Aluhut und purer Wodka im Pappbecher. Das Gesicht einer offenbar minderjährigen Person haben wir unkenntlich gemacht.

Die hier vorgestellten Personen, die der extremen Rechten zugeordnet werden müssen, nehmen dabei aber keine organisierende Funktion ein. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Großteil der Teilnehmer*innen ein verschwörungsideologisches Weltbild teilt, in dem Antisemitismus eine zentrale Rolle spielt. In der Vergangenheit kamen antisemitische und NS-relativierende Reden oft gerade nicht von AfDlern, Neonazis oder Identitären, die sich den Demonstrationen der Corona-Leugner*innen angeschlossen hatten, sondern von zuvor unbekannten Menschen aus der vermeintlichen „Mitte“ der Gesellschaft. Aus antifaschistischer Perspektive gilt es darum, sowohl auf die Präsenz von Neonazis und anderen extremen Rechten hinzuweisen, als auch auf die Gefahr, die auch vom Gros der Demonstrationsteilnehmer*innen ausgeht. Das bedeutet auch, dass der Gegenprotest nicht nur auf der Skandalisierung der Anwesenheit „bekannter“ Neonazis aufbauen sollte. Stattdessen ist es notwendig, darüber zu reflektieren, warum deren Anwesenheit dafür sorgt, dass sich Gegenprotest organisiert, und die verschwörungsantisemitischen Demos ansonsten weitgehend ungestört laufen können.

Der Übergriff am 20. November und zahlreiche Angriffe bei früheren Demos zeigen, dass die Gewalt keineswegs von bekannten Nazis ausgehen muss. Ein rechtes Weltbild und die prinzipielle Bereitschaft, Gewalt einzusetzen, findet sich im Gegenteil auch bei anderen Teilnehmer*innen der Corona-Leugner*innen-Demos.

Dieser Teilnehmer korrigierte erst gegen Ende der Demo vom 27.11. den Rechtschreibfehler auf seinem Schild.
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Schluss mit den Demos der Corona-Leugner*innen: Am 4. Dezember auf die Straße!

An den vergangenen beiden Wochenenden zogen aufgerufen durch selbsternannte coronaleugnende „Querdenker“ 1000-2000 Personen ungestört durch die Frankfurter Innenstadt. Neben Ungeimpften und VerschwörungsideologInnen, zogen diese Demos wie so oft auch Nazis verschiedener Coleur an. Aus dem Aufzug heraus wurden an beiden Samstagen immer wieder Leute angegangen, am 20. November kam es zu einem körperlichen Angriff auf Antifaschist*innen. Wir sagen: kein Angriff bleibt unbeantwortet! 

Die letzten Aufmärsche der Corona-Leugner*innen mobilisierten innerhalb kurzer Zeit viele Personen auf die Straße. Daher mobilisieren wir für den 4. Dezember zu breitem Gegenprotest in der Frankfurter Innenstadt. Die vergangenen anderthalb Jahre, nicht zuletzt der Mord in Idar-Oberstein haben gezeigt, dass unter dem Label „Querdenken“ extrem rechte und antisemitische Positionen in die Öffentlichkeit getragen werden und tödlich enden können.

Die dritte Woche in Folge wird in „Querdenker“-Gruppen dazu aufgerufen, nach Frankfurt zu kommen und dort zu protestieren. Um 14:30 Uhr soll es eine Kundgebung vor dem Australischen Konsulat geben, anschließend will der Protestzug durch die Innenstadt ziehen. 

Als Bündnis Aufklärung statt Verschwörungsideologie (ASVI) rufen wir daher dazu auf, am 4. Dezember ab 13 Uhr zahlreich in die Frankfurter Innenstadt zu kommen. Ihr könnt helfen, den „Querdenker“-Aufmarsch zum Desaster zu machen, indem ihr den Aufruf verbreitet, euren Freund*innen und Genoss*innen Bescheid gebt und natürlich in dem ihr mit uns auf die Straße geht! Beteiligt euch in welcher Form auch immer an den Gegenprotesten, wir freuen uns über jede Form des Protests! Antifa in die Offensive!

Weitere Infos findet ihr in den kommenden Tagen auf unseren Kanälen und unter dem Hashtag für den Tag #ffm0412.

Treffpunkte für Gegenprotest: 13 Uhr, Willy-Brandt-Platz & Börsenplatz

Hier findet ihr einen Bericht vom 20. November 2021.

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Bericht & Einschätzung zum Demonstrationsgeschehen am vergangenen Samstag

Am Samstag, dem 20. November 2021, sammelte sich mehr als 1000 Pandemie-Leugner*innen, Verschwörungsideolog*innen und Impfverweigerer*innen zu einer überregional mobilisierten Demonstration in Frankfurt. Diese zog vom österreichischen Konsulat am Reuterweg über den Opernplatz, den Roßmarkt und das Eschenheimer Tor zurück zum Reuterweg, wo sie an ihrem Startpunkt aufgelöst wurde.

Die Demonstration, angekündigt im Telegram-Kanal „World Wide Demo Deutschland“, sollte zunächst zentral in Magdeburg stattfinden, wurde nach einem Verbot am vergangenen Donnerstag aber nach Fulda verlegt. Nachdem die dortigen Versammlungsbehörde die zulässige Teilnehmer*innenzahl per Auflage auf 100 Personen begrenzt hatte, riefen die Corona-Leugner*innen und Impfverweigerer*innen zu dezentralen Protesten vor österreichischen Konsulaten – aufgrund der parallel stattfindenden Demonstration in Wien und dem angekündigten Lockdown in Österreich – auf. Der Aufzug in Frankfurt war dabei der deutschlandweit größte und wurde in den einschlägigen Telegram-Kanälen auch besonders prominent beworben.

Die Frankfurter Versammlungsbehörde war also offenbar nicht willens, es dem Fuldaer Ordnungsamt gleich zu tun und verhängte keinerlei Auflagen, die die Demonstration in ihrer Außenwirkung eingeschränkt hätten. So mussten die Teilnehmer*innen etwa keine Masken tragen; die Polizei begleitete den Aufzug kaum sichtbar und hielt sich auffällig zurück. Ziel dieser polizeilichen Handlungsweise schien es zu sein, einen ungestörten Vorweihnachtsbummel in der Innenstadt zu ermöglichen und zugleich die Demonstration ohne Einschränkungen durch die Innenstadt zu leiten. So wurden die Corona-Leugner*innen und Impfverweigerer*innen mit Samthandschuhen angefasst und nicht einmal die verordneten Auflagen (1,50 Meter Abstand) durchgesetzt.

Angriff in der Taunusanlage

Vor Beginn der Demonstration am österreichischen Konsulat kam es zu einem politisch motivierten Angriff in der Taunusanlage nahe der Alten Oper. Vier Personen, offenbar dem rechten Spektrum zugehörig, griffen unter Beleidigungen und dem Ruf „Komm, impf mich doch, du Zecke“ eine Gruppe von Personen an, die sie als Linke identifizierten. Diese wurden bedrängt und beleidigt, ihnen wurde mehrfach gegen den Schädel und die Rippen geschlagen. Eine angegriffene Person musste mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden, dabei konnten verschiedene Verletzungen festgestellt werden. Den Betroffenen dieses rechten Angriffs gilt unsere Solidarität. Wir wünschen ihnen gute Besserung!

Vierte Welle der Proteste?

Die Demonstration von vergangenen Samstag stellte die größte Veranstaltung der rechtsoffenen, verschwörungsideologischen Mischszene in diesem Jahr in Frankfurt dar. Inzwischen hat sich der inhaltliche Fokus von Corona-Leugnung deutlich zu Impfverweigerung verlagert. Das Publikum ist dabei aber stets dasselbe: Ein rechtsoffenes (klein)bürgerliches Publikum, größtenteils zwischen 40 und 60 Jahre alt. Auffällig für die Zusammensetzung der Demonstration am vergangenen Samstag war insbesondere, dass ein Großteil der Demonstrierenden von außerhalb der Stadt anreiste. Das offensive Auftreten verschiedener extrem rechter Teilnehmer*innen und nicht zuletzt der Angriff in der Taunusanlage verdeutlichen das hohe Selbstbewusstsein der Szene an diesem Tag. In den kommenden Wochen ist aufgrund der aktuellen Inzidenzzahlen und wahrscheinlichen Maßnahmenverschärfungen wieder vermehrt mit Protesten der Corona-Leugner*innen und Impfverweigerer*innen zu rechnen. Die offene Beteiligung von Rechten ist weiterhin zu beobachten, sodass dort eine gefährliche Mischung verschiedener Spektren zusammen kommt.

Ob die lokalen Strukturen und Organisationen der Szene, die zuletzt recht schwach und wenig existent waren, dadurch aber einen Schub erreichen können, bleibt abzuwarten. So war etwa Gundolf Hambrock („Widerstand 4.0“) auf der Demonstration anwesend, Reste von „Querdenken69“ waren allerdings kaum sichtbar. Stattdessen übernahm Chris Barth („Querdenken651“) aus Darmstadt die Moderation. Dass die Darmstädter „Querdenken“-Gruppe in Frankfurt agiert, können wir bereits seit dem letzten Jahr immer wieder beobachten. Die Schwäche lokaler Organisationsstrukturen setzt sich also insgesamt trotz der vergleichsweise großen Demonstration vom vergangenen Samstag fort.

Das Mobilisierungspotential der Szene liegt lokal deutlich unter der Personenzahl, die am vergangenen Samstag durch die überregionale, teils bundesweite Mobilisierung erreicht werden konnte. Charakteristisch für das regionale Mobilisierungspotential sind eher die vergangenen Demonstrationen wie der „Frankfurter Freedom Day“ am 30. Oktober mit etwa 300 Teilnehmer*innen, die monatlichen „Schweigemärsche“ mit zurzeit etwa 60 Teilnehmer*innen oder auch der „Worldwide Walkout“, der am Samstag um 13 Uhr stattfand, mit etwa 40 Teilnehmer*innen.

Dennoch sollte die hohe Teilnehmer*innenzahl vom vergangenen Samstag nicht einfach hingenommen werden. Die widrigen Umstände und die kurzfristige Verlegung nach Frankfurt erschwerten die Bedingungen für Gegenprotest am Samstag. Um nicht unvorbereitet zu sein und damit sich das Bild vom vergangenen Samstag nicht wiederholt, ist die Planung von Gegenaktionen erforderlich. Mit einer „Solidaritätsdemo für die Brüder und Schwestern in Australien“ am 4. Dezember ist die nächste Aktion in Frankfurt bereits angekündigt.

Daher unser Appell: Haltet die Kanäle der „Querdenken“-Szene, von Verschwörungsideolog*innen, Corona-Leugner*innen und Co. im Blick und achtet auf Ankündigungen zum möglichen Gegenprotest. Zeigen wir ihnen wie im vergangenen Jahr schon, dass Frankfurt keine Lust auf sie hat. Stellen wir uns Corona-Leugner*innen, Verschwörungsideolog*innen und Rechten konsequent entgegen!

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Corona-Leugner*innen in Marburg? Nein danke!

Kundgebung in Marburg: ab 11:30 Uhr, Parkplatz am Hörsaalgebäude
Anreise aus Frankfurt: 10 Uhr (Treffpunkt), Frankfurt Hbf, Gl. 15

Am Samstag, den 12.06., findet in Marburg eine von Weiterdenken-Marburg organisierte, überregionale Demonstration des Querdenken-Spektrums statt. Mit dabei sind in der Szene bundesweit bekannte Persönlichkeiten wie unter anderen Gunnar Kaiser (194.000 Youtube-Abonent*innen), David Claudio Silver (Bundesvorstandsmitglied der Querdenken-Partei „Die Basis“) und Rapper „SchwrzVyce“, der gerade erst ein Musikvideo mit Xavier Naidoo veröffentlicht hat. Wir werden diesen rücksichtslosen und unsolidarischen Menschen nicht die Straße überlassen! Wir wollen keine Szenen wie in Kassel, Leipzig oder Berlin mit tausenden von Querdenker*innen, Reichskriegsfahnen und „ein bisschen Sars muss sein“-Polonai­se.

Wir akzeptieren kein offenes oder verstecktes Geraune von einer Weltverschwörung und Häme für die vielen tausend zu beklagenden Tode. Kommt mit uns und lasst uns klar machen: Kein Fußbreit der Querfront! ¡no pasarán!

Mit Abstand und Maske, am 12.06., 11:30 Uhr, am Parkplatz vor dem Hörsaalgebäude.

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Impfstoff für alle! Am 6.6. in Marburg auf die Straße!

Demo zu Biontech in Marburg
Anreise aus Frankfurt: 12:21 Uhr (Abfahrt), Frankfurt Hbf, Gl. 15

Die aktuelle globale Krise zeigt die katastrophale Schieflage unserer Welt, was auch in der Frage der Impfstoffe unübersehbar zum Ausdruck kommt. Allen ist mittlerweile klar, dass die Pandemie erst dann vollständig überwunden ist, wenn sie überall auf der Welt überwunden ist. Doch neokoloniale Machtstrukturen und Kapitalinteressen stehen diesem Ziel entgegen. Auf welcher Seite die deutsche Bundesregierung steht, zeigt ihre anhaltende Blockadehaltung zum TRIPS-Waiver.

TRIPS-wtf?!

Der sog. Waiver (dt. Verzicht) sieht Ausnahmegenehmigungen von geistigen Eigentums- und Patentrechten vor. Vorgeschlagen wurde er bei der WTO bereits im Herbst 2020 von Südafrika und Indien. Der Waiver würde alle Produkte und Technologien betreffen, die zur Prävention, Eindämmung oder Behandlung von COVID-19 beitragen. D.h. es könnte nicht nur die Versorgung mit mRNA-Impfstoffen verbessert werden, sondern auch die mit Beatmungsgeräten, N95/FFP2-Schutzmasken oder der Therapien.

Eine globale Durchsetzung von Patentrechten gibt es seit dem TRIPS-Abkommen von 1995. Spätestens mit der HIV/ Aids Pandemie wurde mehr als sichtbar, dass dieses Recht dem Recht auf Gesundheit diametral entgegen steht!

SARS-CoV-2 ist das Virus. Kapitalismus ist die Pandemie.

In den letzten Wochen hören wir viel Kritik an der neuen Unterstützung Bidens für den TRIPS-Waiver, von Merkel bis zum Biontech-Gründer Şahin. Dass nur erfahrene Firmen komplizierte mRNA-Impfstoffe herstellen könnten, in einem Jahr sowieso alle versorgt seien oder die Innovationskraft durch einen Waiver leide. Dies sind allesamt vorgeschobene Argumente, welche hinter frühere Erfahrungen der Pandemie-Bekämpfung (z.B. Influenza) zurückfallen und die Profitinteressen der Pharmaunternehmen schützen.

Das macht uns wütend.

  • ➡️ Wütend, weil es da wo es um Menschenleben geht, nicht um Profite gehen darf.
  • Wütend, weil eine Initiative wie Covax, nicht ausreicht und als Ausrede dient.
  • Wütend, weil jede Woche die wir länger um den Waiver kämpfen müssen, die Pandemie und ihre tödlichen Folgen verlängert werden.
  • Wütend, weil eine viel grundlegendere Frage überhaupt nicht gestellt wird: wem gehört eigentlich der mRNA-Impfstoff?
Globale Gesundheitsgerechtigkeit. Für eine Vergesellschaftung der Impfstoff-Technologie

In die Grundlagenforschung von Biontech & Co sind in den letzten Jahrzehnten Milliarden an öffentlichen Geldern geflossen. Gleichzeitig verweigern Pharmaunternehmen seit langem eine transparente Offenlegung ihrer Entwicklungskosten, während sie mit Pandemien wie dieser märchenhafte Gewinne erzielen. Wir sagen, warum nicht gleich enteignen und unter demokratische Kontrolle stellen, z.B. als Anstalten des öffentlichen Rechts (AdöR). 

Die Covid-19 Pandemie verlangt globales Handeln in Solidarität und keine nationalen oder imperialen Alleingänge in der Virusbekämpfung. Grassroot-Bewegungen, wie die C19 People’s Coalition in Südafrika, verlangen von uns im globalen Norden endlich mehr Druck auf die Regierungen und Pharmaunternehmen auszuüben. 

Deswegen fordern wir:
  • TRIPS-Waiver ohne Abstriche 
  • Weg mit dem postkolonialen Patentrecht!
  • Impfstoff für Alle – global und gerecht verteilt!
  • Vergesellschaftung der Pharmakonzerne und Krankenhäuser

Lasst uns gemeinsam diese Forderungen am 06. Juni 2021 auf die Straße bringen!

Schwurbler:innen, Coronaleugner:innen, Weiterdenken und sonstige Leerdenker:innen sind auf der Demo nicht erwünscht. Diese werden konsequent von der Demo geworfen. 

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Solidarität sichtbar machen! Kundgebung am 6. April

Am Dienstag, dem 6. April, wird am Merianplatz in Frankfurt-Bornheim erneut eine Kundgebung mit linken Inhalten zur Pandemie stattfinden. Am gleichen Ort hatten in der Vergangenheit wiederholt verschwörungsideologische „Freiheitssänger“ Kundgebungen abgehalten.

Solidarität sichtbar machen – mit den Menschen, die unter der andauernden Corona-Krise am meisten leiden. Das sind Pflegekräfte, die nun seit einem Jahr für zu wenig Geld und unter schlechten Arbeitsbedingungen bis zur Erschöpfung schuften. Das sind Erzieher*innen und Lehrkräfte, die oft ohne ausreichenden Schutz so weiter arbeiten müssen, als gäbe es keine Pandemie. Und das nur, weil man den Eltern der Kinder, die sie betreuen, keine Homeoffice-Möglichkeiten einräumt und keine arbeitsfreie Zeit zugesteht. Weil man die Wirtschaft über das Wohlergeben der Menschen stellt. Das sind die Verkäufer*innen in den Lebensmittelläden, deren Arbeit immer noch zu wenig Wert zugemessen wird, obwohl inzwischen klar sein sollte, dass unsere Gesellschaft ohne sie zusammenbrechen würde.
Das sind aber auch wohnungslose Menschen, die in der Krise viele sichere Rückzugsräume verloren haben. Trotz Kurzarbeit und dem Wegfall viele Verdienstmöglichkeiten steigen die Mieten weiter. Menschen werden auf die Straße gesetzt, gerade jetzt, wo die Devise doch lautet, man solle zu Hause bleiben. Und besetzte Gebäude und Plätze werden geräumt, nur damit sie danach weiter ungenutzt leer stehen können.
Wir fordern einen Umgang mit der Krise, der nicht auf dem Rücken dieser Personen ausgetragen wird.

Wo: Merianplatz

Wann: 6.4., 17:30 – 19:00 Uhr

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Solidarität sichtbar machen! Kundgebung am 9. März

In den vergangenen Wochen trafen sich, meist dienstags, die „Freiheitsaktivisten“ am Uhrtürmchen in Bornheim-Mitte. Am kommenden Dienstag, dem 9.3., wird dort stattdessen eine Kundgebung zum Gedenken an die Corona-Toten und für Solidarität mit Pfleger*innen stattfinden, auf die wir hier hinweisen möchten. Wir finden die Initiative, diese Kundgebung durchzuführen, genau richtig: Den Corona-Leugner*innen müssen die Plätze streitig gemacht und mit progressiven Themen besetzt werden. Danke an die Organisator*innen!

Dienstag, 9.3.2021
17:30 Uhr
am Uhrtürmchen (Bornheim-Mitte)

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Die Corona-Leugner*innen und die »zweite Welle«

In der Sommer-Ausgabe der Zeitung des AStA der Goethe-Universität Frankfurt durften wir einen längeren Artikel zu Strukturen und Ideologien der Corona-Leugner*innen-Szene in Frankfurt veröffentlichen. Dabei konnte nur die »erste Welle« der Proteste erfasst werden. Mit diesem Artikel, veröffentlicht in der Winter-Ausgabe der AStA-Zeitung, wollen wir an dieser Stelle ansetzen und die Entwicklung der rechtsoffenen Mischszene seit dem Sommer analysieren. Der Artikel entstand Anfang Dezember 2020.

»Im Falle einer zweiten Welle der Pandemie mit erneuten Einschränkungen des alltäglichen Lebens könnte es auch zu einem neuen Aufkommen der verschwörungsideologischen ›Protest‹- Kundgebungen kommen.« — Unsere Einschätzung aus unserem letzten Artikel in der AstA-Zeitung hat sich bewahrheitet. Insbesondere durch die Großaktionen in Berlin und Leipzig, bei denen es zu Ausschreitungen und Angriffen auf Journalist*innen und Linke kam, ist die Corona-Leugner*innen-Szene in aller Munde. Das Gewaltpotential der Szene steigt merklich, auch ein Brandanschlag auf das Robert-Koch-Institut zeugt davon. Wovor Antifaschist*innen bereits im Sommer warnten, ist inzwischen auch bei den Sicherheitsbehörden angekommen: Der baden-württembergische Verfassungsschutz stuft die Querdenken-Szene inzwischen als Beobachtungsobjekt ein. Die Konsequenz einer solchen Einstufung ist allerdings fraglich. Die Erfahrung zeigt, dass derartige nachrichtendienstliche Beobachtungen im Zweifelsfall eher dazu führen, dass rechte Milieus über V-Leute mit Staatsgeldern versorgt werden, als dass diese in ihrem Wirkungspotential eingeschränkt würden.

Dass die Corona-Leugner*innen-Szene zu mehreren Aktionen bundesweit Zehntausende mobilisieren konnte, hängt auch eng mit der rasanten Professionalisierung der Szene zusammen. Und mit der Marke Querdenken, die ihren Ursprung im Frühjahr in Stuttgart genommen hatte.

Querdenken und mobilisierbare Deutsche

Mit der Gruppe Querdenken711 gründet sich in Stuttgart bereits im April 2020 eine äußerst professionell auftretende Gruppierung im Spektrum der Corona-Leugner*innen. Seit Beginn wichtigste Person ist dabei der schwäbische IT-Unternehmer Michael Ballweg. In Stuttgart schafft es Querdenken711 innerhalb kurzer Zeit, bis zu 18.000 Menschen zu ihren Kundgebungen auf dem Volksfestgelände Cannstatter Wasen zu mobilisieren. Es ist überwiegend ein gutsituiertes, bürgerliches Publikum aus dem ganzen Südwesten, das zu Querdenken711 aufläuft. Deutschlandweit gilt Stuttgart damit als einzigartiges Phänomen in dieser frühen Phase der Proteste der Corona-Leugner*innen, von der Mobilisierbarkeit schwäbischer Kleinbürger*innen sind viele Beobachter*innen überrascht.

Auch das Zentrum Automobil, eine AfD-nahe extrem rechte »Pseudogewerkschaft«, mischt seit Beginn der Querdenken-Kundgebungen in Stuttgart mit. Zahlreiche Funktionäre der Gruppierung, die in verschiedenen Daimler-Werken in Stuttgart extrem rechte Betriebsratslisten aufstellt, haben eine Vergangenheit in der neonazistischen Szene. So auch der Vorsitzende Oliver Hilburger, der in der Nazirock-Band Noie Werte spielte. Insgesamt stellt sich das Zentrum Automobil als neofaschistische Scheingewerkschaft dar. Am Rande einer Querdenken-Kundgebung kommt es zu einem Angriff auf Vertreter der extrem rechten Gruppierung. Zusammen mit anderen Gegenaktionen sorgt dies dafür, dass Querdenken711 vorerst keine Großkundgebungen mehr in Stuttgart abhält. Doch die Szene ist keineswegs inaktiv, Michael Ballweg kandidiert im Herbst sogar bei den Wahlen zum Stuttgarter Oberbürgermeister. Doch lediglich 2,6 Prozent der Stimmen entfallen auf Ballweg.

Querdenken als Professionalisierungsstrategie

Auch wenn die Stuttgarter Querdenken-Gruppe im Sommer zunächst stagniert, läuft im Juni und Juli im Hintergrund eines bundesweite Kraftanstrengung: Die Formel aus »Querdenken« und der Telefonvorwahl des jeweiligen Ortes soll nach Ballwegs Willen zum bundesweit bestimmenden Franchise der Corona-Leugner*innen-Proteste ausgebaut werden. Die großen Mobilisierungserfolge sollen aus Stuttgart auf andere Städte übertragen werden. Bei einem überregionalen Vernetzungstreffen am 17. Juli trifft sich Ballweg unter anderem mit Hajo Köhn, ehemaliger Attac- und Occupy-Aktivist und nun Protagonist der Frankfurter Corona-Leugner*innen-Szene.

Mit tatkräftiger Unterstützung aus dem Südwesten wird so auch Querdenken69 in Frankfurt aufgebaut. Damit ist auch ein Umdenken im Konzept der Proteste inbegriffen: Stand noch im Frühjahr und Sommer der allwöchentliche, maskenfreie »Hygiene-Spaziergang« durch die Innenstadt, teilweise chaotisch geplant und mit unterschiedlichen, parallelen Aufrufen, im Vordergrund, so fokussieren sich Querdenken-Gruppen auf professionelles Auftreten, Großevents im Abstand einiger Wochen, und bundesweite Vernetzung. Ein gemeinsames Corporate Design sowie ein Pool von Redner*innen und Musiker*innen sorgen dafür, dass die Querdenken-Kundgebungen überall ähnlich ablaufen. In Frankfurt finden derartige Aktionen ab dem Spätsommer etwa ein Mal pro Monat statt: Am 15. August auf dem Roßmarkt, am 19. September im Grüneburgpark, am 24. Oktober auf dem Goetheplatz.

Mit einem professionell auftretenden Orga-Team, das aus politisch bislang nicht oder kaum in Erscheinung getretenen Personen besteht, schafft es die Frankfurter Querdenken-Ortsgruppe in kurzer Zeit, die eigenen Events zum Anlaufpunkt für Corona-Leugner*innen aus ganz Südhessen werden zu lassen. Die Ortsgruppe verfügt über enorme Ressourcen und leistet sich schon auf Kundgebungen mit 500 Teilnehmenden LED-Wände und äußerst professionelles Veranstaltungsequipment. Zudem wurden die bundesweit mobilisierten Großaktionen in Berlin am 1. und 29. August sowie am 18. November, in Leipzig am 7. November, sowie die Aktionen in Konstanz und am Bodensee am 3./4. Oktober unterstützt. Auch wenn das Frankfurter Orga-Team nach moderate Positionen vertritt, sich seriös und ansprechbar gibt und keinen erkennbaren Kontakt zur extremen Rechten hält, wird nach und nach die Radikalisierung des Milieus auch dort spürbar. So vertritt die Sprecherin Malin Singh in einem Interview in der Frankfurter Rundschau Anfang November die Ansicht, die rechten Ausschreitungen in Leipzig seien ein erfreuliches Ergebnis des Corona-Leugner*innen-Aktionstags. Singh offenbart damit, dass sie kein Problem mit einem marodierenden Mob von Nazi-Hools hat. Auch auf Twitter zeigt sich ihre Offenheit für extrem rechte Ideologeme: In ihren Tweets raunt Singh vom angeblichen Fehlen eines Friedensvertrag und einer Verfassung und bedient damit zahlreiche Themen der Reichsbürgerideologie.

Angesichts schwacher Mobilisierungskraft für kontinuierliche wöchentliche Proteste und dem Scheitern spontaner Versammlungen wie Flashmobs hat die Szene mit dem Querdenken-Franchise ein für ihre Bedürfnisse nahezu perfektes Format gefunden: Großveranstaltungen im Abstand einiger Wochen, abgestimmt mit den Nachbarinitiativen wie Querdenken615 in Darmstadt und geprägt von professionellem Eventmanagement mit Bühnen- und Soundtechnik, eigenem Merchandise und sechsstündigem Programm. Diese Veranstaltungen haben regelrecht Messe-Charakter: An Ständen können Bücher gekauft werden, Autogrammstunden finden statt. Und am Rande wird, etwa mit gefälschten George-Soros-Zitaten oder dem Geraune, Guido Westerwelle sei vom Mossad gesteuert worden, immer wieder offener Antisemitismus verbreitet.

Radikalisierung ohne Ende?

Im Hebrst radikalisiert sich das Milieu der Corona-Leugner*innen schneller als von vielen Beobachter*innen erwartet. Auch Querdenken selbst scheint von dieser Radikalisierung vielfach überrascht und überfordert. So ziehen zahlreiche Querdenken-Gruppen ihre Unterstützung für die bundesweite Mobilisierung am 18. November nach Berlin zurück. An diesem Tag sind es schließlich AfD-Abgeordnete, die extrem rechte Medienaktivisten in den Bundestag lassen. Unter ihnen ist auch Thorsten Schulte, der noch am 19. September auf der Querdenken69-Kundgebung im Frankfurter Grüneburgpark gesprochen hatte. Nun pöbelt er gemeinsam mit anderen extremen Rechten im Deutschen Bundestag Abgeordnete an. Auch die massiven Ausschreitungen in Leipzig am 7. November führen zu nachträglichen, zaghaften Distanzierungen; zuvor hatte Michael Ballweg noch massive Mobilisierungen von AfD, NPD, Jungen Nationalisten (JN) und der neonazistischen Kleinpartei Der III. Weg zum Querdenken-Protest nicht weiter kommentiert und schulterzuckend zur Kenntnis genommen.

Hinzu kommt, dass die professionalisierte Herangehensweise des Querdenken-Franchises zu straffen Hierarchien und autoritärem Führungsstil führt. In Frankfurt entlud sich dies spätestens in den Vorbereitungen zur Demonstration am 14. November. Die Ortsgruppe Querdenken69 wollte hier erstmals mit einem Demonstrationszug durch die Stadt ziehen, wurde aber bereits im Bahnhofsviertel von Antifaschist*innen blockiert und zum Abbruch gezwungen. Zu der Demonstration hatte Querdenken69 gemeinsam mit der recht jungen Gruppierung Eltern stehen auf sowie den bereits länger aktiven Gruppen Widerstand 4.0 und MainFrankfurtVerbindet aufgerufen. Doch im Organisationskomitee wurden Streitigkeiten immer offener, schließlich sogar öffentlich, ausgetragen, was im Ausschluss der Vertreterin von Widerstand 4.0 aus dem Organisationskomitee gipfelte. Der Zwist lag dabei auch in ideologischen Differenzen begründet: Während Widerstand 4.0 eher aus altlinken, sektiererischen Anti-5Glern besteht, sind bei Querdenken69 neoliberale Technokraten aktiv. Auch in den Vorbereitungen der Demonstration am 12. Dezember treten diese Differenzen deutlich zutage. Die Mobilisierung setzt auf antisemitische Codes: Der Virus komme nicht aus Wuhan, sondern aus den Bankentürmen Frankfurts, von wo aus freilich die Strippen gezogen würden und die Pandemie eingefädelt worden sei. Antisemitismus fungiert also immer noch als Bindeglied unterschiedlicher Verschwörungserzählungen.

Wie weiter mit Querdenken?

Bei den bundesweiten Großmobilisierungen an Silvester nach Berlin oder am 19. Dezember nach Leipzig spielt Querdenken als Akteur nur noch eine untergeordnete Rolle. Es bleibt abzuwarten, ob damit bereits das Ende des Querdenken-Franchises als dominantem Akteur der Corona-Leugner*innen eingeläutet ist und nun erneut eine Phase verschiedener, konkurrierender Gruppierungen bevorsteht. Neben wöchentlichen »Spaziergängen« und monatlichen Demonstrationen gibt es schließlich eine immer größer werdende Reihe weiterer Angebote für Corona-Leugner*innen: Etwa Bus-Touren bekannter Gesichter der Szene, YouTube-Streams und nicht enden wollende Telegram-Chatgruppen. Das Geschäft mit den Corona-Leugner*innen brummt, überall werden T-Shirts, Bücher, oder gleich esoterische Quatschprodukte angeboten.

Eins scheint jedoch sicher: Das Milieu wird nicht verschwinden. Die Vernetzung, die hier aufgebaut wurde, wird wohl auch nach der Pandemie bestehen bleiben, wenngleich dann möglicherweise mit einem neuen Thema. Das bedeutet auch, dass Antworten auf die Virulenz von Verschwörungsideologien breiter diskutiert werden müssen, und nicht nur bezogen auf die CoViD-19-Pandemie.