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Der Professor des Sonnenvitamins und der Nebelkerzen

Im zweiten Teil unserer Artikelserie „Geschäfte mit der Angst“ geht es um jene Angstmacher, die sich bewusst in Graubereichen bewegen. Ihr Kunstgriff: Sie setzen den kleinen Wahrheitsgehalt ihrer Erzählungen so geschickt ein, dass die großen Übertreibungen und Verzerrungen nicht mehr leicht zu erkennen sind. Dabei sind ihre Techniken und Methoden kaum von denen der Verschwörungserzählungen zu unterscheiden. Unser Beispiel: Der Vitamin verkaufende Professor aus dem Rhein-Main-Gebiet.

Das Sonnenvitamin

Manchmal führt das Geschäft mit der Angst direkt ins Reich der absurden Geschichten. Manchmal aber auch in den Nebel. Nämlich dann, wenn Geschäftemacher das Körnchen Wahrheit in ihren Geschichten ausnutzen, um ihren angstschürenden Verzerrungen ein Seriositätsmäntelchen umzuhängen. Was Vitamin D mit den Corona-Rechten in Frankfurt zu tun hat.

Der Techno-DJ Peter Rubach aus dem Frankfurter Gallusviertel wirft sich ins Zeug. Anlässlich einer Demonstration gegen die Coronaauflagen im November 2021 hat er sich mit seinem DJ-Pult im Rothschildpark aufgebaut. Rund 2.500 Demonstrierende sind gekommen, Rubach unterhält sie mit lockerer Musik und streut Pandemie-verharmlosende Beiträge ein. Auf seinem DJ-Pult präsentiert er neben einer schwarzen Darth-Vader-Büste einige Vitaminpräparate.

Früher war Rubach mal im Protest gegen die Flughafenerweiterung und bei Occupy aktiv. Heute ist er bei den „Corona-Rebellen“. Er erzählt, es gebe da einen Wissenschaftler in Wiesbaden, ein besonders toller Mann, den wolle er empfehlen. Der habe festgestellt, dass Vitamin-D-Mangel, „den wir alle haben“, zuständig sei für „alle schlimmen Krankheiten“: Krebs, Autoimmun- und Darmerkrankungen und Diabetes. Was der sage, könne jeder verstehen, der spreche nicht nur Latein wie die Schulmedizin. Es sei erwiesen, so Raubach über den Lautsprecher, dass man über die Haut nicht genug Sonnenvitamin D3 produziere: „Wir müssen es supplementieren, da kann man auch Wissenschaftler anhören.“

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Die Corona-Rechten im März 2022

Sargträger*innen bilden den Frontblock der Samstags-Demonstration in Frankfurt. Foto: ASVI

Update über die Corona-Rechten in Frankfurt im März 2022 bis einschließlich 4. April 2022

Was sich schon im Februar angedeutet hatte, setzte sich im März fort: Die Anzahl der Teilnehmenden der Auftritte der Corona-Rechten in Frankfurt geht zurück. Auf den „Spaziergängen“ in den Stadtteilen nehmen kaum mehr als 40 Personen teil, die Aufzüge an der Messe (Dienstag) und Bornheim (Donnerstag) wurden ganz eingestellt. Zum „Montagsspaziergang“ in der City kommen noch um die 100 Personen, dort ist stets auch eine Anlage aufgebaut und es werden längere, teils ermüdende Reden gehalten. Auch in Orten um Frankfurt herum finden weiterhin „Spaziergänge“ statt. In Königstein, Bad Homburg, Bad Soden und Oberursel mobilisierten diese im März zwischen 80 und 200 Personen.

Die Anzahl der Teilnehmenden der Samstag-Demonstrationen in der Frankfurter City lag in den letzten Wochen zwischen 1.000 und 1.500. Am 2. April waren es noch knapp 1.000, obwohl die samstägliche Demonstration in Freiburg im Breisgau, das seit zwei Jahren ein Hotspot der Corona-Rechten ist, abgesagt worden war und daraufhin aus ganz Südwestdeutschland nach Frankfurt mobilisiert wurde.

Es war nicht zu erwarten gewesen, dass sich mit dem ersehnten „Freedom-Day“ am 20. März und dem damit verbundenen Wegfall vieler Beschränkungen der „Corona-Protest“ schnell auflösen würde. Ein harter Kern hält unvermindert an den Stadtteil-Aufzügen und Samstag-Demonstrationen fest. Und es erklingt kaum eine Rede, ohne dass eindringliche Durchhalte-Parolen ins Publikum gesendet werden.

Prorussische Positionen im Ukraine-Krieg

Der Krieg gegen die Ukraine spielt in den Reden auf den Frankfurter „Corona-Protesten“ kaum eine Rolle und erschöpft sich in allgemeinen Floskeln, mit denen man sich als Friedensbewegung aufzustellen versucht. Die Aufrufe, russische und ukrainische Fahnen zu zeigen, fruchteten nicht und sind seit Wochen verstummt. Parteinahme und Empathie für die Menschen in der Ukraine sind nicht zu vernehmen, stattdessen immer wieder Bekenntnisse zu Russland und Putin. So werden beispielsweise Russland-Fahnen mit dem Staatswappen gezeigt und Flugblätter verteilt, die den „Wirtschaftskrieg des Westen gegen Putin“ geißeln und behaupten, dass der „Krieg in der Ukraine“ nur eine Fassade sei, „hinter der ein ganz anderer Krieg geführt“ werde.

In Chatgruppen der Corona-Rechten machen derzeit Verschwörungserzählungen die Runde, die den Krieg in der Ukraine in den QAnon-Mythos integrieren. Demnach sei Putin in die Ukraine eingerückt, da diese das „Epizentrum der satanischen Operationen der Kabale“ sei, was meint eines vom Westen gesteuerten Ring von Pädokriminellen. Dies wird mit dem ersten Impeachmentverfahren gegen Donald Trump verknüpft. Denn im Jahr 2019 hatte Trump versucht, die ukrainische Regierung dazu zu drängen, Korruptions-Ermittlungen gegen Joe Biden und dessen Sohn aufzunehmen, um Biden damit im Präsidentschaftswahlkampf zu schaden.

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Vortragsreihe: Linke Perspektiven auf die Pandemie

Nach 2 Jahre Pandemie scheint nun bei einem Rekordhoch an Infektionszahlen das Ende der Pandemie mit einem Freedom-Day eingeläutet zu werden.
Die Menschen strömen in die Büros, die Masken fallen und eine allgemeine Erleichterung trotz mulmigen Gefühl macht sich breit. Die Corona-Rechten wissen nicht recht, ob sie es als eigenen Erfolg feiern sollen und wo sie sich als nächstes in ihrer ganz persönlichen Freiheit beschränkt fühlen können.
Diese Pandemie ist sicherlich noch nicht vorbei, genau so sicher ist außerdem, dass dies kein einmaliges Ereignis sein wird. Sicher ist auch, dass die ausbeuterischen Verhältnisse im Gesundheitswesen und anderen Bereichen nicht durch Klatschen und Einmalzahlungen behoben wurden. 
Es lohnt sich also einen Blick auf die Ursprünge zu werfen und linke Perspektiven zu diskutieren. Dazu laden wir zu der Veranstaltungsreihe „Die Lösung ist einfach, naheliegend und unter kapitalistischen Verhältnissen völlig utopisch: linke Perspektiven zur rechten Zeit“ ein. 
Nach den Vorträgen gibt es bei einem Getränk noch die Möglichkeit weiter zu diskutieren.
30.03., 19 Uhr, Cafe KoZ, Nadja Rakowitz – Ökonomisierung des Gesundheitssystems
        Seit vielen Jahren wird das Gesundheitssystem in Deutschland immer stärker der kapitalistischen Verwertungslogik unterworfen. Wie es dazu kam und wie eine links radikale Gesundheitspolitik aussehen könnte, berichtet uns Nadja Rakowitz.
13.04., 19 Uhr, Cafe KoZ, Matthias Martin Becker – Ökologie und Kapitalismus
        Die Vorstellung, dass die Covid-19 Pandemie eine Naturkatastrophe sei, welche aus heiterem Himmel über die Menschheit kam oder auch die These, dass das Virus aus einem Labor in Wuhan stamme, sind vor allem Versuche jedwede Hinweise auf systemische Zusammenhänge zwischen Ökonomie, Landwirtschaft und dem Entstehen von Pandemien kategorisch auszuschließen. Mit Matthias Martin Becker möchten wir an diesem Abend auf eben jene Zusammenhänge eingehen  und uns der Frage nähern warum solche Pandemien eben nicht einfach so vom Himmel fallen.
20.04., 19 Uhr, Cafe KoZ, Aufklärung statt Verschwörungsideologie – Das Milieu der Corona-Rechten
        Auf den Demos der Corona-Rechten lassen sich unterschiedlichste Formen von Verschwörungsideologien und reaktionärer Narrative beobachten. Mit solchen immer wiederkehrenden Erklärungsmustern der Rechten gegenüber der Corona Pandemie wird sich an diesem Abend der Vortrag von ASVI (Aufklärung statt Verschwörungsideologien) beschäftigen
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Geschäfte mit der Angst: Wie Rechte an und in Krisen Geld verdienen

Vorbemerkungen

Unsere Betrachtung der „Geschäfte mit der Angst“ konzentriert sich auf Beobachtungen im Frankfurter Raum. Die Serie gliedert sich in fünf Teile, die wir in Abständen von mehreren Wochen veröffentlichen.

Der erste Teil beschäftigt sich mit dem betrügerischen Geschäftsmodell der Reichsbürger-Organisation „Königreich Deutschland“ und mit selbsternannten Gesundheitsexpert*innen, die dem „Königreich“ angehören oder nahe stehen. In einem folgenden Teil blicken wir am Beispiel eines Mediziners in den Graubereich, wo seriöse Wissenschaft und Scharlatanerie zusammenfließen. Ein weiterer Text handelt von Verlagen, Versänden und Läden, die rechte Verschwörungsmythen (nicht nur) zur Corona-Pandemie verbreiten. Das Geschäft mit der Angst betreiben auch rechte Crash-Propheten, die immer wieder den bevorstehenden Zusammenbruch des wirtschaftlichen Systems prophezeien und Menschen von Geldanlagen überzeugen, bei denen sie selbst am besten verdienen. Thema sein werden auch AnhängerInnen der extrem rechten Anastasia-Gemeinschaften, die über Crowdfunding Gelder einsammeln, um Grundstücke und Immobilien für völkische Siedlungen erwerben.
Die Reihenfolge der Artikel werden wir kurzfristig festlegen.

Wir betonen, dass wir keine Fachleute in den Bereichen Medizin, Gesundheit und damit zusammenhängenden Pseudowissenschaften sind. Wir verweisen auf Psiram (früher Eso-Watch) und MedWatch, deren Internetseiten zu fast allen hier erwähnten Personen und Themen fundierte Hintergrundinformationen bieten. Von ihnen haben wir manches übernommen und wir bedanken uns an dieser Stelle für ihr wichtiges Engagement.

Eine vollständige Betrachtung von rechter Esoterik, Reichsbürgern und Verschwörungsideolog*innen im Frankfurter Raum, ihren Gruppen, Läden, Verlagen, Medien- und Beratungsangeboten können wir im aktuellen Zusammenhang nicht leisten. Es wäre ein Projekt von vielen Monaten. Wir haben uns darauf beschränkt, zu relevanten Themen Beispiele herauszugreifen.

Wie immer sind wir dankbar für weitergehende Informationen, schreibt uns an!


Geschäfte mit der Angst: Wie Rechte an und in Krisen Geld verdienen

Esoteriker*innen, Crash-Propheten, Reichsbürger und völkische Sekten: Unter den Corona-Rechten im Raum Frankfurt agieren Gruppen und Personen, die neben politischen auch lukrative finanzielle Interessen verfolgen. Sie arbeiten mit Heilsversprechen und bedienen die Sehnsucht der Menschen Geltung, Gemeinschaft und einfachen Lösungen.

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Die Suche nach Seelenheil und neuem Leben

Dieser erste Teil unserer Artikelserie „Geschäfte mit der Angst“ beschäftigt sich mit dem betrügerischen Geschäftsmodell der Reichsbürger-Organisation „Königreich Deutschland“ und mit selbsternannten Gesundheitsexpert*innen, die dem „Königreich“ angehören oder nahe stehen.

Germanische Rohkost-Küche

Der Frankfurter David Ekwe-Ebobisse ist ein Verfechter von Rohkost und veganem Lebensstil. Er vermarktet sich als „Mr. Raw“ und „Dr. Raw“, nennt sich Gesundheitsexperte, Ernährungsberater, Fitness-Trainer, Life Coach, Potentialentfaltungscoach oder einfach nur Heiler. Er ist Videoblogger und betreibt einen Naturkost-Versand, der neben veganen „Superfoods“ noch allerlei Tinnef anbietet, mit denen sich Esoteriker*innen ein gutes Lebensgefühl (teuer) erkaufen, wie zum Beispiel „afrikanische Wundercreme“ oder „Vita-Chips zum Schutz vor elektromagnetischer Strahlung“. Für seine Kundschaft erstellt er „Ernährungs- und Trainingspläne“, führt bei ihnen „Bio-Scans“ durch und bietet Kurse und „Personal Trainings“ zu Themen von Ernährung und Gesundheit an. Er macht Geschäfte selbst mit der Hoffnung und Verzweiflung von schwerkranken Menschen, denen er vorgaukelt, dass Gemüsesäfte aus seinem Sortiment Krebs heilen könnten. Auch hat er im Eigenverlag drei Bücher herausgegeben, in denen er nicht weniger präsentiert als eine „Weltgesundheitsformel“ für ein „harmonisches und ganzheitlich gesundes Leben“. In seinen zahlreichen Videos, einzusehen auf YouTube, erweist er sich als narzisstischer Selbstdarsteller und Hochstapler, der geradezu beseelt ist von seinem ergoogelten Pseudo-Wissen und sich voller Überheblichkeit über andere Meinungen und Lebensentwürfe stellt.

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Die Corona-Rechten im Februar 2022

Ein Rückblick auf die Proteste der Corona-Rechten in Frankfurt zwischen dem 29. Januar und dem 2. März.

Dominik Asch (AfD/JA) am Fronttransparent der Demonstration der Corona-Rechten am 12. Februar 2022 in Frankfurt. Foto: Konstantin Hirsch

In diesem Update werfen wir einen Blick auf die Entwicklungen bei den Demonstrationen der Corona-Rechten in Frankfurt in den vergangenen Wochen. Kurz zusammengefasst: Die Anzahl der Teilnehmenden geht zurück, das Aggressionspotential nimmt derweilen zu, neue Gruppen und Strömungen stellen sich auf und über sinnentleerte „Faschismus“-Vorwürfe gegen Staat, Konzerne und selbst gegen antifaschistische Aktivist*innen versucht man sich als Freiheits- und Widerstandsbewegung zu inszenieren.

Klar ist, dass wir in diesem Text nur schlaglichtartig einzelne Aspekte beleuchten und keine umfangreiche Analyse der Demonstrationen der letzten Wochen bieten können. Wir freuen uns daher wie immer über Kommentare und Ergänzungen!

Stagnation und Aggression

Grundsätzlich befinden sich die Proteste der Corona-Rechten in Frankfurt derzeit in einer Phase der Stagnation. Die samstäglichen Aufrufe mobilisieren wöchentlich knapp 2000 Personen und bleiben damit deutlich unter den Teilnehmer*innenzahlen vom Januar. Die Demonstrationen wochentags erreichen zurzeit nur an Montagen überhaupt noch dreistellige Zahlen, an den anderen Tagen sind es oft nur wenige Dutzend Teilnehmer*innen. An einigen Tagen fiel der Protest bereits aus, obwohl eine Anmeldung vorlag, oder wurde kurzfristig verlegt. So finden sich mittwochs in Bockenheim und donnerstags in Höchst derzeit etwa 60 Teilnehmer*innen ein, dienstags in Heddernheim und donnerstags in Bornheim nur noch etwa 20 bis 40 Personen.

Dass die Teilnehmer*innenzahlen sinken, hat sicher verschiedene Gründe: Das bessere Wetter eröffnet attraktivere Optionen zur Abendgestaltung als den „Spaziergang“, die angekündigten Öffnungsschritte erschüttern den Glauben an die vermeintliche „Corona-Diktatur“ und die offensichtliche Wirkungslosigkeit der Proteste führt bei manchen zu Frustration. Der Glaube daran, für eine angebliche „schweigende Mehrheit“ zu sprechen oder als Bewegung zu wachsen, schwindet mehr und mehr. Dazu trägt auch der Gegenprotest in manchen Stadtteilen bei. Insgesamt stagnieren die Teilnehmer*innenzahlen überall in der Region oder gehen zurück. Der Krieg in der Ukraine führt seit vergangener Woche dazu, dass die Corona-Pandemie in der medialen Öffentlichkeit an Relevanz verliert. Versuche, den Krieg als Thema im Spektrum der Corona-Rechten aufzugreifen, sind bislang gescheitert: Dem Aufruf, zur Demonstration am 26. Februar in der Frankfurter Innenstadt russische und ukrainische Fahnen mitzubringen, folgte fast niemand. Eher spaltet der Ukraine-Konflikt die Szene: So bilden sich in Frankfurt ein pro-russischer und ein pro-ukrainischer Flügel heraus, was insbesondere die Organisation des „Montagsspaziergangs“ beeinflusst.

Nicht erfüllt hat sich auch die Prophezeiung, die noch vor wenigen Wochen auf den Stadtteil-„Spaziergängen“ zu hören war: Dass sich wegen der Techno-Events auf den Samstags-Veranstaltungen eine erlebnisorientierte Jugend in großer Menge einfinden wird. Doch um den „Techno-Wagen“ auf den Demos tanzen nur wenige Dutzend Personen. Es werden nicht mehr und mit den Öffnungsschritten wird auch dieses Event an Bedeutung verlieren.

Mittelfristig könnte angesichts dieser Entwicklungen nur noch ein „harter Kern“ zurückbleiben, der weiterhin an den Demonstrationen der Corona-Rechten teilnimmt. Schon jetzt ist zu beobachten, dass das Aggressionspotential auf den Demonstrationen steigt, etwa gegenüber der Presse. So kam es am 5. Februar 2022 gleich zu mehreren Angriffen auf Pressevertreter*innen, ein Fotograf wurde mit einem Getränk übergossen, ein anderer mit einem Faustschlag angegriffen.

Zum polizeilichen Handeln

Die polizeiliche Einsatztaktik besteht zurzeit darin, die „Corona-Demos“ zu ermöglichen und gegen Störungen abzuschirmen. Dabei wurde (und wird) auf den Samstags-Demos in großer Anzahl gegen Auflagen verstoßen. Die Maskenpflicht, die bis zum 19. Februar bestand, wurde von vielen Teilnehmenden konsequent ignoriert. Immer wieder forderte die Polizei über Lautsprecher-Durchsagen dazu auf, Masken zu tragen, was allenfalls dazu führte, dass sich ein paar Maskenverweigerer*innen ihre Maske bis zur nächsten Straßenecke aufsetzen und dann wieder abnahmen. Hintergrund dieser Nachsicht ist, dass Polizeieinsätze den Ablauf verzögern würden und dass sich nach einer polizeiliche Auflösung der Versammlung viele der Teilnehmenden zu „spontanen“ Spaziergängen in die menschengefüllte City begeben würden, was ein großes Chaos befürchten lässt. Insoweit ist das Handeln der Polizei nachvollziehbar. Gleichzeitig gibt sie sich jedoch Samstag für Samstag der Lächerlichkeit preis und vermittelt den Corona-Rechten ein Gefühl von Stärke, wenn sie manchmal in gar strengen Tonfall das Einhalten von Auflagen einfordert, was vielen nur ein müdes Lächeln abringt. Dazu erklären Polizist*innen, dass es sich bei der Maskenverweigerung nur um eine Ordnungswidrigkeit handele, gegen die die Polizei nicht unmittelbar vorgehen müsse. Doch wenn sie will, dann kann sie natürlich: Als 2021 auf der linken 1.-Mai-Demonstration in Frankfurt Pyrotechnik gezündet wurde (bei der niemand gefährdet wurde) nahm die Polizei dies zum Anlass, die Versammlung brutal auseinander zu prügeln und aufzulösen.Hierbei wurden wiederum mehrere Personen schwer verletzt. Doch auch der Gebrauch von Pyrotechnik stellt lediglich einen Auflagenverstoß und eine Ordnungswidrigkeit dar.

Irritierend ist weiterhin, dass die Polizei in der Regel überhöhte Zahlen der Teilnehmenden der Samstags-Demonstrationen nennt. So gab sie beispielsweise am 19. Februar bekannt, dass 3.500 Personen an der Demonstration der Corona-Rechten teilgenommen hätten. Dabei waren es 2.200, die sich kurz vor 16 Uhr an der Taunusanlage in Bewegung setzten. Selbst wenn man einrechnet, dass Nachzügler*innen hinzustießen und sich entlang der Route einzelne Menschen spontan anschlossen (was selten zu beobachten ist), dürften es an diesem Tag nicht mehr als 2.500 Personen gewesen sein. Die Polizei greift offensichtlich auf Erfahrungswerte zurück, wenn sie aus der Länge der Demonstration die Zahl der Teilnehmenden schätzt. Jedoch laufen diese nicht so gedrängt wie man es von Demonstration in Zeiten vor der Pandemie kennt, bisweilen bestehen Lücken von mehreren Metern zwischen den Grüppchen. Darüber zieht sich der Aufzug in die Länge und erscheint viel größer als er tatsächlich ist. Ärgerlich ist, dass viele Medien die falschen Angaben der Polizei übernehmen und diejenigen, die sich die Mühe machen, tatsächlich durchzuzählen – wie ASVI oder auch die VVN-BdA – am Ende als diejenigen dastehen, die schlecht informieren oder schlecht informiert sind. Am 26. Februar waren es übrigens beim Verlassen der Taunusanlage ziemlich genau 2.000 Teilnehmende des „Corona-Protests“.

Trumpismus auf den Corona-Demos

Immer wieder sind auch die sogenannten „Gadsden Flags“ zu sehen, die insbesondere in der US-amerikanischen Alt-Right-Bewegung verbreitet sind. Die gelben Fahnen, die eine aufgerichtete Klapperschlange sowie den Slogan „DON’T TREAD ON ME“ („Tritt nicht auf mich“) zeigen, wurden in den letzten Jahren zum Symbol der extremen und verschwörungsideologischen Rechten in den USA und darüber hinaus. Sie wird insbesondere von rechts-“libertären“ Spektren genutzt, die damit ihre ablehnende Haltung gegenüber Staat und Gesellschaft verdeutlichen und einen egoistischen Freiheitsbegriff vertreten, in dem staatliche Eingriffe oder Verantwortungsübernahme für die Gemeinschaft verteufelt werden.

Verschiedene „Gadsden Flags“ auf der Demonstration der Corona-Rechten in Frankfurt am 5. Februar 2022. Foto: Doku.Netzwerk Frankfurt

Am 5. Februar bildete sich in Frankfurt ein kleiner „Block“, in dem drei Gadsden Flags mitgeführt wurden. Mit dabei waren mehrere Personen, die bereits zuvor als Aktive von StudentenStehenAuf aufgefallen waren. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, denn extrem rechte und „rechtslibertäre“ Positionen sind in den Chats von StudentenStehenAuf weit verbreitet. Am 19. Februar wurden in einem Block ca. zehn Gadsden-Flags gezeigt.

Am 5. Februar in Frankfurt: „StudentenStehenAuf“ (links) und „Aktives Hessen“, Tarnstruktur der „Identitären Bewegung“, laufen nebeneinander. Man verstand sich offenbar prächtig. Foto: Doku.Netzwerk Frankfurt

Zwischen Anti-Antifa und der „wahren Antifa“

Auf den Frankfurter „Corona-Protesten“ kristallisiert sich derweil ein neues Feinbild heraus: „Die“ Antifa. Bei einer Kundgebung im Gallus am 22. Februar, maßgeblich organisiert von Marvin Störzle, wurden gleich zwei aufgenommene Redebeiträge abgespielt, die sich gegen „die Antifa“ richteten. Darin beschwert man sich insbesondere darüber, dass „die Antifa“ ihren Protest als rechtsextrem dargestellen würde. Der 19-jährige Störzle, der erst seit Anfang des Jahres auf den „Corona-Protesten“ anzutreffen ist, zählt mittlerweile zum harten Kern der Organisator*innen. Störzle kommt aus der Wetterauer CDU und präsentierte sich in Sozialen Netzwerken noch Ende 2020 als ein großer Fan von Volker Bouffier. Nach eigenen Angaben hat er seine Ausbildung als Justizfachangestellter gekündigt, da er sich nicht boostern lassen wollte.

Marvin Störzle auf dem Beifahrersitz des Techno-Wagens am 5. Februar 2022. Foto: Doku.Netzwerk Frankfurt

Dass Störzle und die anderen Akteur*innen der „Spaziergänge“ nun „die Antifa“ zum prominenten Feindbild machen, ist erstaunlich, da es bei dem Großteil der Demonstrationen derzeit allenfalls kleine Gegenproteste gibt, die noch dazu nicht etwa von autonomen Antifaschist*innen, sondern von Bürger*inneninitiativen (wie in Höchst, Heddernheim oder dem Nordend) getragen werden. Derartige Unterscheidungen lassen die Corona-Rechten aber nicht gelten: Die diverse antifaschistische Bewegung wird als einheitlicher Block imaginiert. Nahezu alle Fotojournalist*innen und Medienvertreter*innen, die die Demonstrationen dokumentieren oder von ihnen berichten, werden als „Antifa-Fotografen“ denunziert – davon ausgenommen sind freilich die Medienaktivist*innen der eigenen Szene, die in ihren Livestreams nicht selten exzessiv um Spenden betteln.

Ein typisches Bild bei den Demonstrationen der Corona-Rechten: Ein Teilnehmer der Demo filmt die Demo und den antifaschistischen Gegenprotest. Foto: ASVI

Dabei sind zwei scheinbar gegenläufige Tendenzen zu beobachten: Einerseits wird das Feindbild Antifa immer präsenter, kleine Gruppen von Gegenprotest sehen sich immer häufiger aggressiven Drohungen und Pöbeleien ausgesetzt, von bestimmten Personen aus den Reihen der Corona-Rechten werden Porträtaufnahmen von Gegendemonstrant*innen angefertigt. Andererseits sind seit einigen Wochen verstärkt Antifa-Fahnen auf den Demonstrationen der Corona-Rechten zu sehen – offenbar soll hier symbolisiert werden, dass man sich selbst für die „wahre Antifa“ im Kampf gegen einen angeblichen Faschismus halte.

Der Faschismus-Vorwurf

Diese Gegensätze bleiben nicht ohne Folgen: Am 26. Februar konnte beobachtet werden, dass der antifaschistische Gegenprotest gegen die Corona-Rechten, der sich entlang der Demo-Route am Roßmarkt sammelte, aus der verschwörungsideologischen Demonstration heraus sowohl mit den Worten „Antifa raus!“ als auch „Nazis raus!“ bezeichnet wurde. Weite Teile der Demonstrationen schienen unschlüssig darüber, ob man „die Antifa“ nun als Feind ausmachen oder sich selbst als antifaschistisch deklarieren solle.

An diesem Beispiel wird besonders deutlich, dass die Corona-Rechten mit einem Faschismusbegriff hantieren, der von jeglichem Inhalt entleert ist. So ist auf Plakaten und Flugblättern etwa von „Konzernfaschismus“ oder „Pharmafaschismus“ die Rede, (linke) Antifas sind gar die „Fußtruppen des globalen Faschismus“, ohne dass deutlich wird, was an den thematisierten Entwicklungen denn faschistisch sein soll. Faschismus bezeichnet im Kern Bewegungen und Ideologien, die sich in antidemokratischer Weise nach einem Führerprinzip organisieren und inhaltlich durch nationalistische, patriarchale, minderheitenfeindliche und antiemanzipatorische Inhalte gekennzeichnet sind. Offensichtlich geht es aber beim Gerede von „Konzernfaschismus“ hauptsächlich darum, keine schlüssige, emanzipatorische Kritik am Kapitalismus in Krisenzeiten formulieren zu müssen und stattdessen den Diktatur- und Faschismusbegriff beliebig auszudehnen, um sich selbst ins Recht zu setzen und politische Gegner*innen zu diskreditieren. Wenn dann noch Teile der Corona-Rechten Antifa-Fahnen schwenken, ist die Realitätsverweigerung komplett.

Antifa-Symbolik bei den Corona-Rechten am 19. Februar 2022: Was genau „Konzern-Faschismus“ sein soll, bleibt ein Rätsel. Foto: ASVI

Insofern sollte sich auch die linke Kritik an den Corona-Rechten davor hüten, den Faschismusbegriff pauschal zu verwenden. Wie wir schon in unserem Beitrag zur Begriffsbestimmung argumentiert haben, handelt es sich um eine reaktionäre Bewegung, in der zahlreiche menschen- und gesellschaftsfeindliche Ideologien ihren selbstverständlichen Platz haben. Doch es ist keine nazistische oder faschistische Bewegung. Die antifaschistische Bewegung sollte zur Schärfung des Begriffs beitragen und nicht zu dessen Verwässerung.

Die AfD hat den Zug verpasst

Mit einer Kundgebung am 5. Februar in Friedberg unter dem Motto „Freiheit statt Impfzwang“ versuchte die hessische AfD, doch noch einen Fuß in die Bewegung der Corona-Rechten zu bekommen. Dabei sollte Friedberg nur der Anfang einer Reihe von AfD-Aufzügen zum Thema sein, am 5. März folgt die Fortsetzung in Wiesbaden. Zwar sind AfD-Propaganda und auch Wahlaufrufe in den Chatgruppen der Corona-Rechten überall zu finden, eine tatsächliche Wirkung innerhalb der Szene hat die AfD aber hier in der Region nicht entfalten können. Die FunktionärInnen der AfD scheinen mit dem Milieu der Corona-Rechten zu fremdeln. Zwar waren in der Anfangszeit der Proteste im Jahr 2020 einzelne AfDler präsent und auch der AfD-Landtagsabgeordnete Andreas Lichert kam am 27. November 2021 mit einer kleinen Entourage auf die Frankfurter Corona-Demo, doch es blieb bei einzelnen Auftritten, So verwundert es auch nicht, dass es nicht gelang, Teilnehmer*innen der Corona-Demo am 5. Februar in Frankfurt nach Friedberg zu locken; dort sammelte sich stattdessen ein AfD-Publikum, das ansonsten kaum auf Corona-Demos erscheint. Auch von der AfD-Abspaltung „Liberal-Konservative Reformer“ (LKR) sind bisher nur einzelne Protagonisten auf den „Corona-Protesten“ aufgetaucht.

Mit einer Kundgebung in Friedberg versuchte die AfD am 5. Februar, auch im Milieu der Corona-Rechten Erfolge zu landen. Zur Kundgebung erschien aber lediglich AfD-Publikum. Foto: Pixelarchiv
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Die Abgründe der Menschheitsfamilie

Nach der Veröffentlichung unserer großen Recherche zum aktuellen Stand der Corona-Rechten werden wir fortan in unregelmäßigen Abständen Updates posten. Der hier vorliegende Text bezieht sich auf den Zeitraum vom 17. bis 28. Januar 2022.

Das Netzwerk Rhein-Main steht auf etabliert sich in der Organisierung von „Corona-Protesten“. Knapp 1000 Personen folgten ihrem Aufruf zu einem „großen Marsch für Frieden und Zusammenhalt“ am 22. Januar 2022 durch die Offenbacher Innenstadt. Als Bündnispartnerin standen Rhein-Main steht auf unter anderem die Freidenker Offenbach zur Seite, eine Ortsgruppe des aus einer linken Geschichte kommenden Deutschen Freidenker-Verbandes e.V., der noch im April 2020 Veranstaltungen im Offenbacher Naturfreundehaus durchführte. Mitglieder der Offenbacher Naturfreunde fanden sich am 22. Januar freilich auf der Gegenveranstaltung am Offenbacher Rathaus, die von einem Aktionsbündnis verschiedener Initiativen und Verbände organisiert worden war. Zur Teilnahme an der Demonstration der Corona-Rechten hatte auch die Offenbacher Alternative für Deutschland (AfD) aufgerufen, doch sie machte sich vor Ort nicht bemerkbar.
Eine Zählung am Anfang des Aufzuges ergab 910 Teilnehmende, eine Handvoll Personen schloss sich im weiteren Verlauf an. Die NPD erschien mit einer kleinen Gruppe und einem Transparent mit unmissverständlich nazistischer Propaganda: „Volksgemeinschaft statt Spaltung“. Dennoch waren die Neonazis an diesem Tag nicht „nur“ geduldet, sondern akzeptiert. Immer wieder gesellten sich Personen aus dem Kreis der Organisator*innen zur NPD-Truppe um die Parteifunktionäre Daniel Lachmann (Büdingen), Markus Lotz (Altenstadt) und Stefan Jagsch (Altenstadt), plauderten und scherzten mit ihnen. Dass sich die NPD – völlig zu Recht – willkommen gefühlt hatte, dokumentiert sie selbst in einem Video über ihren Auftritt, der bereits am nächsten Tag online ging.

NPD in Offenbach am 22. Januar 2022.
NPD in Offenbach am 22. Januar 2022: unbekannt, Stefan Jagsch, Daniel Lachmann (v.l.n.r.). Foto: Protest.Foto Südhessen

Der Umgang mit der NPD an diesem Tag zeigt auch, dass es mitunter irreführend ist, von einer „Unterwanderung der Corona-Proteste“ durch extreme Rechte zu reden und zu schreiben. Das Vokabular „Unterwandern“ suggeriert, es handele sich dabei um ein verstecktes Einschleichen in eine Gruppe, Organisation oder Bewegung mit dem Ziel, diese zu prägen oder gar zu „übernehmen“. Doch die Neonazis schleichen sich nicht in die „Corona-Proteste“ ein und sie verstecken dort nichts. Sie treten offen neonazistisch auf und teilen ihre Aktivitäten und ihre damit verbundenen Hoffnungen und Ziele öffentlich mit. Sie sind – zumindest am 22. Januar in Offenbach – mit ihrer Volksgemeinschaft-Ideologie kein „eingedrungener“, sondern ein akzeptierter und integrierter Bestandteil der „Corona-Proteste“.

Eine Szene sollte diesen Tag prägen: Als Antifaschist*innen am Rande des Aufzuges gegen Verschwörungsideologien und den Schulterschluss von Corona-Leugner*innen und Impfgegner*innen mit extremen Rechten protestieren, schrie ihnen eine Teilnehmerin des „Corona-Protests“ mehrfach voller Inbrunst „Nazis raus!“ entgegen. Derweil zog keine zwei Meter hinter ihr die NPD mit ihrem Transparent vorbei. Das Video dieser Szene ging viral, denn deutlicher lassen sich Realitätsverlust und -verweigerung innerhalb der Corona-Rechten kaum veranschaulichen.

In Frankfurt hatte am 22. Januar der Kreis um den Bad Homburger Unternehmer Christoph Pfeiffer das organisatorische Zepter in der Hand. Pfeiffer trat dabei nicht in den Vordergrund, doch er schaffte die Technik herbei und filmte das Event. Seine Filme werden auf dem Videoportal Bitchute (Kanal „der_nachdenkende_mensch“) veröffentlicht.

An der Veranstaltung, die ab 15 Uhr im Holzhausenpark im Frankfurter Nordend begann, nahmen knapp 2.500 Personen teil. In Reihen der Corona-Rechten kursieren bis heute Fantasiezahlen bis zu 20.000 Teilnehmenden, doch tatsächlich wurden zu Beginn der Demonstration 2.100 und um 17 Uhr an der Konstablerwache 2.500 Teilnehmende gezählt. Da diese in lockeren Reihen liefen, war der Aufzug jedoch weit mehr als einen Kilometer lang, was den Eindruck erwecken konnte, es wären viele tausend Menschen beteiligt. Auffällig war der Charakter der Demonstration, die mit dröhnenden Bässen und einem Wagen, auf dem getanzt wurde, stellenweise eher einer Techno-Parade glich als einer Demo.

Richard Nzoulé am 22. Januar 2022 in Frankfurt. Foto: Protest.Foto Südhessen

Anmelder war wie schon am 15. Januar der Frankfurter Richard Nzoulé. Er ist von Beruf Motivationscoach und „Personal Trainer“ in Sachen Fitness für wohlhabendes Frankfurter Klientel. In seinen Aussagen – nachzulesen auf seinem Facebook-Profil (gesichert am 24.1.2022) – vergleicht Nzoulé die Maskenpflicht mit den Verbrechen der Sklaverei. Er teilt Pöbeleien gegen Fridays for Future, hetzt gegen das Impfen, verharmlost die Pandemie und bezieht sich dabei vielfach auf rechte Quellen, wie auf Kanäle der AfD oder auf den österreichischen Fernsehsender ServusTV, der mehrfach Falschinformationen zur CoViD-19-Pandemie verbreitete. Als Schwarzer Aktivist in der Szene der Corona-Rechten kommt Nzoulé eine besondere Rolle zu: So führt ihn sein rechtes Umfeld ein ums andere Mal als „Beweis“ vor, ihre Bewegung, die täglich in Frankfurt auf die Straßen geht, sei frei von Rassismus und „Extremismus“.

Tatsächlich war der „Corona-Protest“ am 22. Januar in Frankfurt ein Stelldichein rechter WichtigmacherInnen. So trat die mittlerweile allgegewärtige Ingrid Reich auf, die im Holzhausen-Park eine Rede hielt. Auch auf den Stadtteil-Aufzügen greift sie immer wieder zum Mega- oder Mikrofon. In ihren Reden und in selbstgemachten Flugblättern, die sie auf den Demonstrationen verteilt, vertritt sie die wahnhaft anmutende Vorstellung, dass durch Impfungen Millionen von Menschen mittels „Giftspritzen“ ermordet werden (sollen). Dabei verweist Reich, die bei den letzten Kommunalwahlen für die FDP kandidierte, immer wieder auf den rechten Verschwörungsideologen Oliver Janich. Der ist Anhänger des QAnon-Kultes, Autor in der extrem rechten Zeitschrift Compact Magazin und hatte gefordert, Joe Biden und George Soros aufzuhängen sowie deutsche Regierungsmitglieder standrechtlich hinzurichten. Janich radikalisiert die Szene der Impfgegner*innen dadurch, dass er propagiert, dass sich jeder Mensch auch unter Einsatz von Schusswaffen dagegen wehren dürfe, „zwangsgeimpft“ zu werden.

Richard Nzoulé, Ingrid Reich, Thorsten Schulte
Richard Nzoulé, Ingrid Reich, Thorsten Schulte (v.l.n.r.) am 22. Januar 2022 im Holzhausenpark. Foto: ASVI

Hauptredner im Holzhausen-Park war Thorsten Schulte, der nachfolgend auch den Aufzug anführte und mit der Polizei verhandelte. Schulte ist ein sogenannter „Crash-Prophet“, ein Vollprofi im Business mit der Angst. Sein durch und durch niederträchtiges Geschäftsmodell hatten wir bereits im Dezember 2020 in unserer Broschüre „Ohne Maske gegen Soros“ beschrieben. Schulte, genannt „Silberjunge“, beschwört den bevorstehenden Zusammenbruch des wirtschaftlichen und politischen Systems und empfiehlt vorsorgend die Wertanlage in Edelmetallen. Ein Geschäft, in dem er als Händler von Edelmetall und Autor von Fachbüchern gut verdient. Dabei propagiert Schulte mitunter offenen Rassismus, um die Angst seines Publikums zu schüren. So warnte er auf einer „Konferenz für Grenzwissen“ im Jahr 2020 etwa vor der Abschaffung der deutschen Nationalität hin zu einer „negroiden Zukunftsrasse“, die bereits seit den 1920er Jahren forciert werde. Bei seinen Auftritten bei der AfD, bei PEGIDA und nun bei den Corona-Rechten sucht sich Schulte aus der bunten Palette der Verschwörungsmythen jene aus, mit denen er das jeweilige Publikum einzunehmen weiß. Am Samstag, dem 22. Januar, trafen sich in Frankfurt eben nicht mehrheitlich zornige RassistInnen von PEGIDA, sondern das, was sich selbst eine bunte „Menschheitsfamilie“ nennt. In den verschiedenen Ecken des Holzhausen-Parks dudelte Musik von Nena („99 Luftballons“), Marius Müller-Westernhagen („Freiheit“) und Joan Baez („We shall overcome“), es waren mehr Peace-Zeichen und Friedenstauben als AfD-Logos zu sehen und der Schwarze Anmelder stand neben Schulte auf der Parkbank, von der die Reden gehalten wurden. So verkniff sich Schulte rassistische Dystopien, zitierte stattdessen Mahatma Gandhi und kumpelte Nzoulé in aufdringlicher Weise an. Dies gipfelte darin, dass er am Ende seiner Rede ein Buch von Martin Luther King in die Höhe hielt und diesen als Freiheitskämpfer und Vorbild im Kampf gegen eine „Corona-Diktatur“ preis. Eine an Perfidie kaum zu übertreffende Inszenierung, die der Großteil der anwesenden „Menschheitsfamilie“ mit tosendem Applaus bedachte. Nur die kleine Gruppe der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA),  unter ihnen der stellvertretende Landesvorsitzende Nils Andersen (Frankfurt) und der Landesschatzmeister Manuel Wurm (Rödermark), klatschte in diesem Moment nicht und blickte stattdessen säuerlich drein. Doch beim nächsten Auftritt von Schulte bei der AfD werden sie ihrem „Silberjungen“ wieder zujubeln, wenn er den rassistischen Verschwörungsmythos vom „Großen Austausch“ bedient.

Dominik Asch, Manuel Wurm, Nils Andersen
Ein Teil der Gruppe der Jungen Alternative am 22. Januar 2022 im Holzhausenpark: V.l.n.r.: Dominik Asch (Schöneck), Manuel Wurm (Rödermark), Nils Andersen (Frankfurt). Foto: ASVI

Zwischenzeitlich gesellte sich auch Felix Straubinger zur JA-Gruppe, der zuletzt im Mai 2020 mit dem Banner „Heimatschutz statt Mundschutz“ in Frankfurt aufgefallen war. So war es kein Wunder, dass am Rande der Route einzelne Sticker der „Jungen Bewegung Hessen“ auftauchten.

Widerstand 4.0 am 22. Januar 2022 in Frankfurt. Foto: Protest.Foto Südhessen

Das Grüppchen Widerstand 4.0 um Regina Stöber-Yurdakul und Gundolf Hambrock, die Pfeiffer erst unlängst die Zusammenarbeit aufkündigten, reihte sich mit einem Transparent in den Aufzug ein, verteilte Flugblätter und hielt über ein Megafon Reden, in denen sie die „Anerkennung der natürlichen Immunität“ forderten, Ungeimpfte zu „Freiheitshelden“ erklärten und den Bogen zu einer „Zentralbankkryptowährung“ und zur „digitalen Sklaverei“ schlugen. Doch zu einer Kundgebung am 25. Januar 2022 auf dem Opernplatz, für die Widerstand 4.0 auf der Demonstration am 22. Januar massiv geworben hatte, kamen dann gerade einmal 17 Personen. So bleibt als vorläufiges Resümee festzuhalten: Im November und Dezember 2021 spielten Hambrock und Stöber-Yurdakul für einige Wochen eine erhebliche Rolle bei den Frankfurter „Corona-Protesten“, da sie die Initiative zur Durchführung der ersten „großen“ Demonstration ergriffen hatten. Nun haben sich andere „Player“ das notwendige Knowhow angeeignet und – vor allem dank Telegram – funktionierende Netzwerke und Mobilisierungssysteme geschaffen. Die Kundgebungen von Widerstand 4.0, auf denen Hambrock und Stöber-Yurdakul ein ums andere Mal die Welt erklären, wirken im Gegensatz zu den „Spaziergängen“ und den Demonstrations-Events fürchterlich altbacken und unattraktiv. So dürfte der Weg von Widerstand 4.0 in die völlige Bedeutungslosigkeit führen.

Derweilen halten die täglichen „Aufzüge“ und „Spaziergänge“ in den Stadtteilen an. Wenngleich die Anzahl der Teilnehmenden der einzelnen Veranstaltungen leicht gesunken ist, so stellt sich das Geschehen weiterhin recht dynamisch dar. Am 25. Januar, als Widerstand 4.0 mit 17 Personen an der Alten Oper herum stand, fand gleichzeitig ein Aufzug von 80 Personen in Frankfurt-Heddernheim sowie ein „Spaziergang“ mit knapp 60 Teilnehmenden im Europaviertel und im Gallus statt. Auch die montäglichen „Spaziergänge“ in Frankfurt und zahlreichen Orten im Umland verzeichnen stagnierende oder leicht rückläufige Teilnehmer*innenzahlen, finden aber weiterhin statt.

Eine Frau hatte sich am 27. Januar 2022, dem Jahrestag der Auschwitz-Befreiung, in Frankfurt-Höchst einen Davidstern mit der Aufschrift „Gesund“ angeheftet und wollte an der Demonstration der Corona-Rechten teilnehmen, erhielt aber von der Polizei nach einiger Zeit einen Platzverweis. Foto: Konstantin Hirsch

Der Charakter der „Spaziergänge“ hat sich dabei vielerorts gewandelt. Anfangs liefen diese vielfach mit einer Standardrede vom Band und ansonsten recht lautlos ab, mittlerweile werden beständig Sprechchöre angestimmt, meist wird auch eine Musikanlage mitgeführt. Die Teilnehmenden sind auf einander eingespielt und haben an Sicherheit und Selbstvertrauen gewonnen. Vor allem: Sie haben sich kennen gelernt und sozial miteinander verbunden, die Stimmung ist familiär, man verabredet sich, bestärkt sich, schwört sich ein. Jedoch zeigen sich manche ob des massiven Protests, der sich in einzelnen Stadtteilen gegen diese Aufzüge formiert, irritiert. Vor allem in Heddernheim standen ihnen mehrfach bis zu 300 wütende Anwohner*innen gegenüber, die sie unter anderem mit Wasser begossen und mit Eiern bewarfen. Dies mag und wird manche Person abschrecken, die nicht dem harten kern der Szene zugehört. In diesem harten Kern ist der Realitätsverlust jedoch offensichtlich so weit fortgeschritten, dass diese Proteste von ihnen abprallen. Denn sie sehen sich als die Avantgarde eines Freiheitskampfes und auf einer Mission zur Errettung der „Menschheitsfamilie“.

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Umfassende Recherche zu den Corona-Rechten in Frankfurt und Umgebung veröffentlicht

In den vergangenen Wochen konnten wir verstärkt Demonstrationen und andere politische Aktionen der Corona-Rechten in Frankfurt und Umgebung beobachten, teils mit deutlich höherer Teilnehmer*innenzahl als zuvor. Aus diesem Grund legen wir eine neue, umfassende Recherche vor, die die aktuell wichtigsten Strukturen und Personen offenlegt.

Über Hinweise und Ergänzungen freuen wir uns wie immer sehr. Schreibt uns!

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FDP-Kandidatin und Anhängerin von extrem rechten Verschwörungsideologien und Reichsbürger-Ideen: Ingrid Reich

Ingrid Reich aus Neu-Anspach exponiert sich seit einigen Wochen auf Demonstrationen der Corona-Rechten. T-Online schreibt über sie: „Sie steht dem Telegram-Kanal „Volksnetzwerk Deutschland“ nahe – eine Plattform mit Reichsbürger-nahen und verschwörungsideologischen Inhalten. Auf ihrer Facebookseite teilt sie ebenfalls wirre Theorien. Sie hält eine pressefeindliche Rede, in der sie sich rechtspopulistischer Rhetorik und Verschwörungsideologien bedient.“ Mit diesem Artikel wollen wir Ingrid Reich daher in Kürze etwas genauer vorstellen.

In ihren Reden hetzt Reich oft gegen „die Presse“ und wirbt auf Demonstrationen eifrig für „Das Volksnetzwerk“, eine Art soziales Medium für die extreme Rechte. Reich gibt an, als Immobilienverwalterin sowie als Vertriebspartnerin von Naturkosmetik zu arbeiten.

Ihre Social-Media-Profile sind voll von Fehlinformationen, Verschwörungsideologien und rechten Inhalten, und das schon seit Beginn der Pandemie. Im März 2021 kandiderte Reich bei den hessischen Kommunalwahlen trotzdem für die FDP Neu-Anspach.

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Wer sind die Corona-Rechten?

Ein Diskussionsbeitrag zur Analyse der verschwörungsideologischen Rechten

Wir bezeichnen das Milieu, das im Rahmen von Protesten gegen Corona-Maßnahmen auf die Straße geht, inzwischen als Corona-Rechte. Diese Bezeichnung versucht zu greifen, das sich in Bezugnahme auf die CoViD-19-Pandemie eine heterogene Bewegung formiert hat, die durch rechte und reaktionäre Inhalte geeint ist. Am auffälligsten ist dabei sicherlich der explizite oder implizite Einfluss von Verschwörungsideologien, deren Kern nicht selten ein antisemitisches Weltbild ist .

Die weithin genutzte Bezeichnung Querdenken für die Gesamtheit des Milieus verwenden wir nicht. Das hat mehrere Gründe: Es handelt sich erstens um eine Selbstbezeichnung, die wir nicht reproduzieren möchten. Mit ihr wird der Anschein erweckt, es handele sich bei den Demonstrierenden und Aktivist*innen um Nonkonformist*innen und Libertäre, die sich für Meinungsfreiheit einsetzen. Tatsächlich halten wir den Begriff der konformistischen Rebellion für weite Teile der Corona-Rechten für passend. Zudem ist Querdenken ein Markenname eines bestimmten Spektrums der Corona-Rechten, das von Stuttgart aus einen Zentralismus mit teilselbstständigen Filialen in ganz Deutschland aufbaute und zeitweise das dominante Label für Pandemieleugner*innen und Impfverweigererer*innen in Deutschland war. Es hat inzwischen aber deutlich an Einfluss verloren. In Hessen bezieht sich nur noch die Darmstädter Gruppierung Querdenken615 auf das Label, die Marburger Gruppierung Weiterdenken kann als Abspaltung eingestuft werden. Zwar existieren in anderen Städten, so auch in Frankfurt, weiterhin Chatgruppen, die sich auf das Querdenken-Label beziehen, organisatorisch und aktivistisch haben diese aber kaum noch Bedeutung.

Von Corona-Leugner*innen zur Corona-Rechten

In unserer Broschüre, veröffentlicht in zwei Auflagen im November und Dezember 2020, haben wir das Spektrum unter dem Begriff „Corona-Leugner*innen“ zu fassen versucht. Dieser Begriff trifft inzwischen aber nicht mehr den Kern dessen, was wir auf der Straße und in den einschlägigen Chatgruppen beobachten können: Die absolute Leugnung der Existenz einer Pandemie oder des Virus, oft verschwörungsideologisch unterfüttert, ist inzwischen eine Minderheitenposition. Die wissenschaftsfeindliche Haltung, die noch vor einem Jahr oft Leugnung der Pandemie begründete, führt in diesem Jahr eher zu Impfverweigerung. Erneut spielen dabei Verschwörungsideologien eine große Rolle. Man mag diese Verschiebung für bloße Nuancen halten, im Sinne einer analytischen Genauigkeit verzichten wir aber auf den Begriff „Corona-Leugnung“, um das Spektrum in Gänze zu beschreiben, und verwenden ihn nur, wenn tatsächlich die Existenz der Pandemie bestritten wird.

Wir glauben , dass für die Kategorisierung des gesamten Milieus als „rechts“ inzwischen genug Belege vorliegen und sprechen daher von der Corona-Rechten. Hier werden verschiedene Weltanschauungen und Positionen auf die Straße getragen, die eindeutig rechts sind: Dazu zählen biologistische und sozialdarwinistische Einstellungen, Gesellschaftsfeindlichkeit, Wissenschaftsfeindlichkeit, zudem Antisemitismus und die Relativierung von Holocaust und Völkermord. Letzteres kommt unter anderem darüber zum Ausdruck, dass sich Teilnehmende der Aufzüge in infamer Weise mit Opfern des Holocaust gleichsetzen. Das Tragen gelber Judensterne mit Aufschrift „ungeimpft“ wird mittlerweile vielerorts polizeilich unterbunden und strafrechtlich verfolgt, häufig sind hingegen Äußerungen zu vernehmen, die Impfkampagnen als (geplanten) Genozid benennen oder Impfstoffe als „Zyklon C“ (für Covid). Die in diesem Milieu geläufige Vorstellung, Pandemien seien Teil eines natürlichen Kreislaufes, in den der Mensch nicht eingreifen dürfe, und die Kranken und Schwachen nun mal von Zeit zu Zeit aussortiert würden, kann nicht als Leugnung, nicht einmal unbedingt als Verharmlosung der CoViD-19-Pandemie gelten. Sie ist aber ein sozialdarwinistischer, menschenfeindlicher Biologismus und offen für Ideen der Eugenik.

Verbreitet ist zudem die Ansicht, dass der Mensch der Pandemie trotzen könne durch „natürliche“ Lebensweise, „natürliche“ Ernährung und angeblich „natürliche“ Heilmethoden und dass deshalb keine einschränkenden Maßnahmen notwendig seien. Dies ist nicht nur wissenschaftsfeindlich. Es ist die Überheblichkeit und der Egozentrismus derer, die sich Rundumversorgung durch Bioläden, Health-Coaching, Reiki-Seminare und sonstige Heilsversprechen leisten können. Auch derartiger Klassismus muss als rechts verstanden werden, wenngleich er häufig von Personen eines „alternativ“ erscheinenden Milieu verbreitet wird.

Und die Nazis?

In den Chatgruppen der Corona-Rechten können inzwischen alle möglichen rechten Themen – etwa Migration, Leugnung der Klimakatastrophe, verschiedenste Verschwörungserzählungen, offensiver Wahlkampf für die AfD – ungehindert und unwidersprochen verbreitet werden. Ähnliches lässt sich auf den Demonstrationen beobachten. Insofern halten wir es für zweitrangig, dass die meisten der Teilnehmer*innen von Demonstrationen der Corona-Rechten sich gar nicht als rechts, sondern bisweilen sogar als links verstehen.

Dass bekannte extrem rechte Gesichter und (teils organisierte) Neonazis auf den Demonstrationen der Corona-Rechten ungestört mitlaufen dürfen, sich bisweilen sogar an die Spitze setzen können, ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Szene inzwischen nicht mehr bloß als „rechtsoffen“ eingestuft werden muss.

In einzelnen Regionen sind Neonazis die dominierenden Kräfte auf diesen Demonstrationen und im Rhein-Main-Gebiet dürfen sie zumindest ungehindert mitmachen. Am 27. November 2021 war es eine Gruppe von Mitgliedern der Identitären Bewegung, die sich mit ihrem Transparent „Heimatschutz statt Mundschutz“ zentral positionieren durfte, am 4. Dezember in Frankfurt stellten sich Neonazis der Partei Der III. Weg mit eigenen Schildern auf und attackierten aus dem Schutz der Masse Journalist*innen. Am 31. Dezember 2021 nahm zum wiederholten Male ungestört eine Gruppe von Neonazis auf einer Demonstration in Aschaffenburg teil, zu der das Netzwerk Rhein-Main steht auf mobilisiert hatte. Sie zeigten ein großes Transparent mit Aufschrift „Kontrolliert die Grenzen, nicht euer Volk“. Der Aufzug am 1. Januar 2022 in der Frankfurter Innenstadt wiederum wurde von einer Person in QAnon-Kleidung angeführt.

Die Anwesenheit von Neonazis, QAnon-Anhänger*innen und Antisemit*innen aller Spektren auf den einschlägigen Demonstrationen ist für uns dabei weniger Auslöser für die rechte Radikalisierung der Szene, sondern deren logische Konsequenz. Zugleich gilt zumindest für die hessische Szene, die wir beobachten, dass organisierte extreme Rechte oder Personen mit einem entsprechenden Hintergrund eher selten organisierende Funktionen wahrnehmen. Die NeofaschistInnen, etwa Der III. Weg, die NPD oder die Identitäre Bewegung, die sich auf den entsprechenden Demonstration zeigen, haben offenbar ein eher funktionales Verhältnis zu der Protestszene, halten dort ihre Parteibanner hoch und nutzen diese vor allem zur Selbstinszenierung – eine Inszenierung, der auch Gegner*innen von Corona-Rechten bisweilen auf den Leim gehen, wenn sie die entstehenden Bilder weiter verbreiten.

Im Rhein-Main-Gebiet können wir beobachten, dass es weniger bekannte Nazis sind, die mit besonders radikalen Positionen, NS-relativierenden Reden oder ähnlichem auffallen, sondern Personen aus der vermeintlichen „Mitte“ der Gesellschaft, die antifaschistischen Recherchestrukturen zuvor unbekannt waren.

Die Gefahr von Verschwörungsmythen liegt auch darin, dass sie häufig Treibstoff einer rasant verlaufenden rechten Ideologisierung und Radikalisierung sind. Wer eine Verschwörungserzählung verinnerlicht hat, ist in der Regel bereit, weitere aufzunehmen und daraus eine große Weltverschwörung zu konstruieren. Einige Personen, dieanfangs der „Corona-Proteste“ zu erkennen glaubten, dass Bill Gates und George Soros die Pandemie erzeugt oder erfunden hätten, traten wenige Monate später als „Reichsbürger“, QAnon-AnhängerInnen oder SympathisantInnen der antisemitischen Anastasia-Sekte in Erscheinung.

Die Personen, die nun im Sog der Corona-Rechten ihre „Erweckung“ erleben, werden uns noch beschäftigen, wenn die Pandemie zu Ende gehen und die Bewegung der Corona-Rechten zerfallen wird. Denn in der Zukunft wird es weitere Themen und Verschwörungsmythen geben, die in großer Anzahl Rechte mobilisieren werden.