Corona – Kapitalismus – Krise. Fahrraddemo für linke Antworten auf die Corona-Krise am 27. Februar

Samstag, 27. Februar, 13 Uhr, Merianplatz

2021 – Die ganze Welt muss auf die Corona-Pandemie reagieren. Die ganze Welt? Nein, während alles dafür getan wird, um das kapitalistische System aufrechtzuerhalten, nimmt man dafür die Ausbeutung und die Gesundheitsrisiken für Angestellte und Arbeiter*innen in Kauf. Anstatt Betroffene wirksam zu unterstützen, kommt Unterstützung lediglich Großkonzernen zugute. Abgesichert werden die Gewinne und Renditen des Kapitals, während die Prekarisierung von immer mehr Lohnabhängigen zunimmt. Die Spanne zwischen oben und unten (Arm und Reich) wächst
während der Krise weiter, befeuert durch den Staat. Die Krise heißt Kapitalismus und nicht nur Corona. Denn ein ausbeuterisches System und neoliberale Strukturen können nur zu einer ausbeuterischen und ausschließenden Krisenpolitik führen.

Während wir uns im privaten immer weiter einschränken und isolieren sollen, sind die einzigen sozialen Kontakte, die zulässig sind, jene, die wir auf dem Weg zur Arbeit im überfüllten ÖPNV und auf der Arbeit haben. Nach Feierabend ist es uns verboten, an der frischen Luft, die nachweislich das Infektionsrisiko deutlich vermindert, noch ein Bier zu trinken, geschweige denn es mit den Kolleg*innen und Freund*innen zu tun. Doch als wäre das nicht ausreichend, wird in bester Aufstandsbekämpfungsmanier eine nächtliche Ausgangssperre diskutiert und in manchen Bundesländern auch durchgesetzt, um an kalten Winternächten alle von der Straße fernzuhalten, die die leere Stadt für einen Spaziergang nutzen wollen.

Automobil-, Reisekonzerne und die Lufthansa werden mit über 18 Milliarden Euro gerettet. Dies passiert ohne langfristige demokratische Kontrolle und auch ohne den Vorbehalt der Investitionen in umweltfreundlichere Entwicklungen. Doch trotz den bedingungslosen Staatshilfen werden bei Lufthansa Leute entlassen und Dividenden ausgezahlt. Gleichzeitig wird Millionen von Menschen zugemutet, von 60 Prozent ihres normalen Lohns zu leben, ohne dass ihre Kosten sinken. Denn eins ist klar: Die Rendite aus der Miete ist sicher. Entgegen vorheriger Ankündigungen vorerst auf Mieterhöhungen zu verzichten, erhalten auch Mieter*innen von städtischen Wohnungsbaugesellschaften
skandalöserweise Mietsteigerungen. Kleinunternehmer*innen und Künstler*innen warten monatelang auf die zugesagten Hilfsbeträge, welche sie sowieso nur bekommen, um ihre Mieten zu zahlen. Auch Sozialhilfeempfänger*innen gehen der Regierung am Arsch vorbei: Beispielsweise fallen nun Mehrkosten für (teilweise verpflichtende) FFP2 Masken an und sollen in bester neoliberaler Logik von einer auch in „normalen“ Zeiten nicht genügenden Grundsicherung gespart werden, denn dafür reichen auch einmal 150 Euro nicht aus.

Gleichzeitig werden Reiche immer reicher und dabei auch noch vom Staat finanziert wie der reichste Mann der Welt beim Bau eines Autowerks bei Berlin. Dieses „Naturgesetz“ des Kapitalismus wird in der Krise scheinbar noch beschleunigt. Menschenfeindliche Milliardäre können weiter ihren persönlichen Traum von der Eroberung des Mars träumen oder Paketsklav*innen für sich schuften lassen, um immer mehr Profite zu generieren. Parallel dazu sollen wir diese Krise bezahlen, statt den Bonzen endlich ihre Villen abzunehmen.

#StayAtHome (und bezahl gefälligst deine Miete) ist im Angesicht der nicht genutzten Möglichkeiten für Wohnungslose eine Farce. Während Hotels leerstehen und dringend Einnahmen brauchen, müssen Menschen noch immer auf der Straße leben. Auch in den „eigenen“ vier Wänden wird die Situation insbesondere für Frauen* und Kinder teilweise zur Gefahr. Zahlen steigender häuslicher Gewalt stehen schwerer zu erreichenden und mit noch höheren Hürden als ohne Corona belegten Hilfsangeboten gegenüber. Die Stadt Frankfurt lässt sich für die unwürdige Unterbringung von wohnungs- und obdachlosen Menschen in der B-Ebene am Eschenheimer Tor medial tatsächlich auch noch feiern. Stattdessen muss Leerstand sinnvoll genutzt werden, um eine Wohnsituation zu schaffen, die Privatsphäre, Sicherheit und die notwendigen Hygienemaßnahmen ermöglicht. Und wenn Wohnungslose die von Politiker*innen viel beschworene Eigeninitiative zeigen, werden sie wie in Berlin von einer rot-rot-grünen Regierung, rigoros aus einem von ihnen besetzten Haus geräumt.

Das alles und noch viel mehr Scheiße wird auf dem Rücken von seit Jahren unterbezahlten und überarbeiteten Angestellt*innen im kaputtgesparten, (teil)privatisierten Gesundheitssystem ausgetragen. Selbst bei Kontakt mit Corona-positiven Patient*innen im Gesundheitssektor gibt es keine volle, verpflichtende Quarantäne für die dort Arbeitenden. Diese grandiose Idee nennt sich Pendel-Quarantäne. Während Pfleger*innen, Ärzt*innen und so weiter einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind, sollen sie weiterarbeiten und dafür die restliche, verbleibende Freiheit im Privaten aufgeben. Anstatt daraus endlich Konsequenzen zu ziehen, also ein Gesundheitssystem unabhängig von Kapitalinteressen und damit bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung für medizinisches Personal und somit auch bessere Versorgung der Patient*innen durchzusetzen, fährt die unmenschliche Ausbeutung in Krankenhäusern fort.

In der plötzlich durch Homeoffice und -schooling viel zu kleinen Wohnung sollen sich Arbeit und Erziehung der zukünftigen (top ausgebildeten) Arbeitskräfte vereinen lassen. Also soll ohne Leistungsabbruch der Job erledigt werden, die Kinder betreut und das Homeschooling begleitet werden. Und falls der*die Arbeitgeber*in trotz der freundlichen Bitten der Regierung kein Homeoffice anbietet, müssen die Lehrer*innen und Erzieher*innen in Schulen und Kitas als „Notbetreuung“ herhalten. In Hessen bleibt Erzieher*innen lediglich die sogenannte „Appellregelung“, die einzig und alleine eine Bitte an die (überforderten) Eltern sein kann, die Kinder selbst zu Hause zu betreuen. Dabei wäre es der einzig richtige Schritt, Eltern für die Betreuung ihrer Kinder unter Fortzahlung der vollen Bezüge freizustellen.

Zur Kontrolle dieser sozial prekären Situation wird in Deutschland ein hochgerüsteter Polizeiapparat aufgefahren. In diesem Lockdown haben Menschen selbstverständlich das Bedürfnis nach sozialen Kontakten, außerhalb der alltäglichen wirtschaftlichen Ausbeutung. Doch auch hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Staatliche Repression, ausgeführt durch unsere heißgeliebte Polizei, zur Einhaltung der sozialen Beschränkungen trifft nicht alle gleich. Denn während die Reichen nach dem Spaziergang auf ihrem großzügigen Anwesen selbstverständlich noch eine Runde im hauseigenen Pool schwimmen gehen können, richtet sich staatliches Handeln gegen alle, die diese Möglichkeiten nicht haben. Besonders betroffen sind davon Menschen, die auch schon vor Corona täglich mit rassistischen Polizeikontrollen konfrontiert waren.

Diese rassistische und menschenverachtende Logik setzt sich auch an den europäischen Außengrenzen fort. Und zwar auf den zu Gefängnissen umfunktionierten griechischen Inseln oder im Lager Lipa in Bosnien, wo zehntausende Menschen gewollt zurückgelassen werden. Die Festung Europa sorgt lediglich dafür, dass die Bedingungen in den Camps für Geflüchtete miserabel sind. Stehendes Wasser in Zelten und keine medizinische Infrastruktur bauen eine Drohkulisse auf, die Menschen abschrecken soll, die vor Krieg (mit Waffen, die im „Lockdown“ in der BRD hergestellt wurden), Hunger und politischer Verfolgung fliehen.

Die medizinische Versorgung, nicht nur in Camps in Griechenland, ist in vielen Ländern nicht vergleichbar mit der privilegierten Situation in Deutschland, sodass eine Covid19-Infektion oft mit dem Tod einhergeht. Diese Situation ist nicht zuletzt durch (post-)koloniale Ausbeutung der Menschen und des Systems vor Ort durch mitteleuropäische Länder entstanden. Der Gipfel der Perversion ist die Durchführung der Studien in Ländern, die auf absehbare Zeit keinen Zugang zu dem Impfstoff erhalten werden und somit die „freiwillige“ Beteiligung an der Studie, die einzige Chance ist überhaupt geimpft zu werden. So setzen sich Jahrhunderte alte Strukturen der kolonialen Ausbeutung fort.

Anstatt der viel beschworenen Solidarität global Konsequenzen folgen zu lassen, beharren große Unternehmen wie Pfizer und Biontech weiter auf ihren Patenten und sind damit mitverantwortlich für Tote und Leid im Zusammenhang mit Covid-19 Infektionen. Denn diesen Unternehmen geht es dabei keineswegs um eine Leistung für die Gesellschaft, sondern um Milliardengewinne. Dabei wird ihnen die Entwicklung der Impfstoffe erst durch öffentlich finanzierte Grundlagenforschung und darauf aufbauenden vielen hundert Millionen Euro Förderung ermöglicht. So scheint es auch wenig verwunderlich, dass gerade die reichen Staaten in imperialistischer Tradition die Gewinne ihrer Kapitalisten gegen die Forderung von fast 100 Ländern die Patente freizugeben verteidigen.

Für uns klar, dass es in einer Pandemie Einschränkungen für uns alle geben muss, um uns und unsere Freund*innen, Familie, Kolleg*innen und alle anderen zu schützen. Ein Zurück zur Normalität, wie es Querdenken fordert, ist kein Fortschritt, sondern ein Weiter so; mit Ausbeutung, Verdrängung, Wohnungslosigkeit, Gewalt gegen FLINTA*-Personen und Rassismus. Es braucht einen solidarischen Umgang und eine kollektive Verantwortungsübernahme. Wir fordern Hilfe für alle, die nicht täglich eine Betreuung für ihr Kind organisieren können. Wir fordern Hilfen für alle, die prekarisiert, marginalisiert und zurückgelassen werden, anstatt Hilfen für Konzerne, welche vor der Krise bereits Milliarden gescheffelt haben. Wenn schon Maßnahmen, dann zu Lasten des Kapitals und nicht zu Lasten der Lohnarbeitenden, d.h. frei bei vollem Lohnausgleich! Und für alle, die ihrem Job nach gehen müssen, fordern wir richtige und wirksame Schutzmaßnahmen auf der Arbeit! Wir fordern die Aussetzung der Mietzahlungen! Wir fordern die Auflösung aller Geflüchteten-Camps! Bleiberecht für alle Migrant*innen und menschenwürdige, dezentrale Unterbringung für alle! Wir fordern die Aufhebung der Patente und einen kostenlosen und zugänglichen Impfstoff für alle! Wir fordern ein umfangreiches Rettungspaket für alle! Wir fordern, dass die Reichen für die Krise zahlen, denn wer hat der gibt!

Um Pandemien und weitere Krisen zu bekämpfen braucht es eine andere Gesellschaft. Um unsere Forderungen gegen die Allmacht des dreckigen Staates durchzusetzen, bedarf es einer tiefgreifenden und langfristigen Organisierung im Viertel oder auf dem Arbeitsplatz. Die kollektive Mietverweigerung oder gemeinschaftliches Krankschreiben wären denkbar. Gerade unter Corona ist es wichtig, der sowieso im kapitalistischen System vorherrschenden Vereinzelung und Isolation gemeinsam entgegenzutreten.

Wir brauchen gesellschaftliche und solidarische Lösungen für diese Krise! Deshalb kommt zur Fahrraddemo am 27.02.21 um 13 Uhr zum Merianplatz.