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Hier geht es nicht weiter

Wir, die Initiative Aufklärung statt Verschwörungsideologien, werden unsere Texte in Zukunft auf der neuen Webseite Rhein-Main Rechtsaußen veröffentlichen. Auf diese Seite wurden schon unsere älteren Texte übertragen.

Dieser Blog ist damit stillgelegt. Auch unseren Twitter-Kanal werden wir nicht weiter betreiben, denn es erscheint uns sinnlos, auf einer Plattform kritisch über Verschwörungsidelogien zu informieren, die selbst von einem Verschwörungsideologen betrieben wird.

Diese Stilllegung unserer eigenen Kommunikationskanäle bedeutet allerdings nicht, dass wir unsere Arbeit einstellen. Wir werden, ebenso wie mit uns zusammenarbeitende Kollektive, auch weiterhin die rechte Verschwörungsszene im Rhein-Main-Gebiet kritisch analysieren.

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Ein Antisemit als AfD-Großspender

Die Tagesschau berichtet heute über Spenden an Bundestagsparteien. Die größte Einzelspende an eine Partei im Jahr 2023 konnte bislang die AfD einstreichen: Am 25. Januar überwies Hartmut Issmer aus Erlensee bei Hanau (unter Angabe seiner Weimarer Firmenadresse) 265.050 Euro an die extrem rechte Partei.

Hartmut Issmer ist Verschwörungsideologe und Antisemit. Er tritt seit etlichen Jahren im extrem rechten Spektrum in Erscheinung. Er ist Begründer einer „Volksbewegung Patrioten für Deutschland“, die im Wesentlichen aus ihm selbst besteht. Sowohl in Frankfurt als auch im thüringischen Weimar führte die „Volksbewegung“ in der Vergangenheit Kundgebungen durch, die jedoch nur von einer Handvoll Personen besucht wurden. Bemerkenswert ist jedoch, dass bei einem Auftritt von Issmer und seiner „Bewegung“ (in diesem Fall 25 Personen) am 3. Mai 2019 in Weimar ein bekannter Thüringer Neonazi aus dem Kreis von Blood & Honour als Ordner fungierte.

Am 29. September 2019 trat Issmer dann in Hamburg auf einer extrem rechten Kundgebung unter dem Motto „Deutscher Michel wach endlich auf“ auf und am 9. November 2019 sprach er auf einer antisemitischen Kundgebung im Berliner Lustgarten, die vor allem vom Reichsbürger-Spektrum getragen wurde.

Mit Beginn der Pandemie exponierte sich Issmer als Corona-Leugner und inszenierte sich als Wortführer der sich formierenden rechten Verschwörungsszene. Er sprach auf Kundgebungen unter anderem von Querdenken69 in Frankfurt und führte am 6. Februar 2021 einen (als Demonstration angemeldeten) Auto-Korso an, der hupend und Parolen verbreitend durch die westlichen Frankfurter Stadtteile fuhr.

Im Jahr 2022 wendete sich Issmer dann der Freiheitsbewegung Main-Kinzig-Wetterau zu, die vom extrem rechten Büdinger Jochen Amann angeführt wird. Dieser war 2021 auf der AfD-Liste ins Büdinger Stadtparlament eingezogen. Freimütig erzählt Issmer, diese Gruppe zu finanzieren. Auf einem Aufzug dieser „Freiheitsbewegung“ am 5. November 2022, an dem ca. 200 Personen teilnahmen, offenbarte Issmer in einer Rede einmal mehr sein geschlossen extrem rechtes Weltbild. Was er zu erzählen hatte ist der alte Mythos einer angeblichen „jüdischen Weltverschwörung“, die mit Begriffen wie „internationale Hochfinanz“ und „Rothschild“ kaum chiffriert ist. Auszüge:

„Liebe Freunde, nichts auf dieser Welt passiert so rein zufällig. Kein Krieg und keine Massenpsychose entsteht so rein zufällig wenn so etwas in die Welt kommt, dann ist das immer vorsätzlich von irgendeiner Lobby geplant. Und um eine solch gigantische Massenpsychose zu planen bedarf es einer gigantischen Infrastruktur, gigantischer finanzieller Mittel, gigantischer Beziehung in eine Regierung und vor allem Beherrschung der Medien zur Verbreitung der Lügen. Und über diese Mittel verfügt heute ausschließlich die internationale Hochfinanz, an der Spitze mit Figuren wie Rockefeller, Rothschild, Bill Gates, nur um einige Namen zu nennen. Insgesamt gehören etwa 200 Milliardärsfamilien zu dieser internationalen Hochfinanz. Wir können davon ausgehen, dass diese internationale Hochfinanz heute so mächtig ist wie niemals zuvor und in der Lage ist, jede beliebige Regierung zu beeinflussen, zu bestechen und dann auch zu stürzen. Wir müssen davon ausgehen, diese internationale Hochfinanz plant seit über 50 Jahren eine neue Weltordnung. (…) Alles was wir heute erleben dient der Vorbereitung dieser neuen Weltordnung. Nicht unsere Politiker der etablierten Parteien, Presse, Rundfunk und die willigen, weil gut bezahlten Handlanger bei der Herstellung dieser neuen Weltordnung. Die Energiekrise, die wir jetzt erleben ist nicht zufällig, sondern vorsätzlich gewollt. Die Wirtschaftskrise, die damit verbunden ist, ist vorsätzlich gewollt. Die Deindustrialisierung Deutschlands, die damit verbunden ist, ist vorsätzlich gewollt. Letzten Endes ist die Verarmung unserer ganzen Gesellschaft im Rahmen dieser neuen Weltordnung vorsätzlich gewollt. Die Botschaft dieser Globalisten lautet: Ihr werdet nichts mehr besitzen und ihr werdet glücklich sein. Die Masseneinwanderung, die wir jetzt erleben, dient der Zerstörung unserer kulturellen Identität (Unterbrechung durch Applaus). Die perverse Gender-Ideologie, die die Existenz der beiden Geschlechter von Mann und Frau in Abrede stellt, dient der neuen Weltordnung, sie ist ein Angriff auf die traditionelle Familie. Die traditionelle Familie, bestehend aus Mann und Frau mit dem Aufziehen von Kindern, ist die kleinste Zelle einer jeden Gesellschaft. Sind die Familien gesund, ist die Gesellschaft gesund.“

Issmer auf einer Kundgebung der „Freiheitsbewegung Main-Kinzig Wetterau“ am 5. November 2022 in Hanau.

Issmer leitet ein Architektur-Büro und eine Bauträgerfirma mit Sitz in Erlensee. Er ist auch in Thüringen aktiv, wo sein Unternehmen Bau-Projekte durchführt. Dort organisierte er in den vergangenen Jahren AfD-Veranstaltungen, unter anderem mit Björn Höcke.

Aufgrund seines Profilierungsdrangs und seiner erfolglosen Sammlungsversuche wurde Hartmut Issmer als politischer Akteur bislang kaum Ernst genommen. Als Finanzier der extrem rechten Freiheitsbewegung Main-Kinzig-Wetterau sowie als Großspender der AfD spielt er jedoch zweifelsohne eine wichtige Rolle in der extremen Rechten.

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Reichsbürger-Märchenland in Rodgau und Rödermark?

Eine „Elterninitiative“ im Raum Rodgau und Rödermark will einen „Lernort“ für Kinder und Jugendliche schaffen. Ihr Kreis reicht von Reichsbürgern zu einer geplanten anthroposophischen Schule

Welche abenteuerlichen Allianzen sich im Milieu der Verschwörungsgläubigen bilden, lässt sich seit über drei Jahren jede Woche live bestaunen, wenn Corona-Leugner*innen, Impffeind*innen und die neu aufgestellte Friedensbewegung durch die Straßen ziehen. Esoteriker*innen, Reichsbürger und andere Rechte sind da mittendrin statt nur dabei.

Ihr Netzwerk wächst und bringt fortlaufend Projekte hervor: Vereine werden gegründet, Treffpunkte und Siedlungsgemeinschaften entstehen, ein esoterischer Kongress folgt dem anderen, Heilsversprechen werden vermarktet, Kulturveranstaltungen werden organisiert, Schulen und Lerngruppen werden geschaffen. Diese Projektlandschaft wird Antifaschist*innen noch auf Jahre hinaus beschäftigen. Denn dort entstehen Filterblasen und ideologisch abgeschlossene Räume, in denen sich Menschen vom Rest der Gesellschaft abschirmen, von sozialer Teilhabe isolieren und gegenseitig den letzten Verstand rauben. Vor allem: Dort geben Erwachsene ihr reaktionäres und irrationales Denken an Kinder und Jugendliche weiter. Wer in jungen Jahren mit Verschwörungsmythen indoktriniert wird, hat es im weiteren Leben oft schwer, sich davon zu lösen.

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Frank, der Schwätzer

Der Frankfurter Rechtsanwalt Frank Großenbach ist ein Sprachrohr der rechten Verschwörungsszene

Frank Großenbach war Kandidat für die Partei DieBasis im März 2023 zur Wahl des Oberbürgermeister-Amtes in Frankfurt. Er hält häufig Reden auf Demonstrationen der rechten Verschwörungsszene – egal, ob diese sich thematisch der Corona-Pandemie, dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine oder beidem widmen. Er ist ein typischer Protagonist seines Milieus: Einer, der glaubt, alles zu wissen und durchschauen zu können. Einer, der auf seinen Lebensstil und seine Privilegien pocht und sich immer im Recht wähnt. Und der sich selbst am liebsten reden hört.

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Vor der eigenen Haustür – Die rechte Verschwörungsszene in Rhein-Main

Reichsbürger, Querdenker, QAnon-Gläubige – in Deutschland hat sich eine verschwörungsideologische rechte Mischszene etabliert. Die Wiesbadener Initiative Moment mal – Aktion für eine offene Gesellschaft hat uns eingeladen, darüber zu reden, wie es um die Szene im Rhein-Main-Gebiet steht. Herausgekommen ist ein Video, in der wir unsere Analyse der Szene darlegen, sowie ein Podcast, in dem wir im Rahmen eines Hintergrundgesprächs über die rechte Verschwörungsszene diskutieren. Beides ist auf der Seite von Moment mal abrufbar.

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Glaubenskrieger gegen die „Fürsten der Welt“ – Verschwörungsideologischer Rap in Hessen

Im verschwörungsideologischen Milieu ist in den vergangenen Jahren ein Netzwerk rechter Rapper entstanden, von denen sich einige stetig radikalisieren und mittlerweile Anschluss an die AfD und an das offen neonazistische Spektrum gefunden haben. Beispiele hierfür sind die hessischen Rapper SchwrzVyce, Lapaz und Ukvali. Ein tragendes Motiv dessen ist der geteilte Antisemitismus.

SchwrzVyce

Am 18. Dezember 2022 veröffentliche der aus dem hessischen Marburg stammende Rapper Kaia Boehm unter seinen Pseudonymen SchwrzVyce“ bzw. „Sascha Weiss“ einen neuen Song mit dem Titel „AfD / Alternative für Deutschland (Wahlwerbespot)“. In dem Musikvideo läuft Boehm mit einem AfD-Aufsteller durch die Stadt Frankfurt und beleidigt verschiedene Politiker*innen. Wir nehmen das sexistische, frauen- und schwulenfeindliche Machwerk des Deutschrappers und „Patrioten“ Boehm zum Anlass, einige hessische Protagonisten und Geschäftemacher einer Rapszene genauer zu beleuchten, die rund um die Demonstrationen der Corona-Rechten entstandenen ist.

Kaia „Schwrzvyce“ Boehm mit AfD-Aufsteller in Frankfurt zum Musikvideodreh. Quelle: Youtube

Kaia Boehm aka SchwrzVyce arbeitete bis vor kurzem in Frankfurt als Executive Manager im Bereich Financial Services. In Folge des Liedes „AfD / Alternative für Deutschland (Wahlwerbespot)“ distanzierte sich Boehms Arbeitgeber öffentlich von diesem und berichtet vom einvernehmlichen Beenden des Arbeitsverhältnisses1. Boehm trat in der Vergangenheit bereits vielfach bei Demonstrationen der Corona-Rechten in ganz Deutschland auf und erlangte auf diesem Weg innerhalb der Szene eine gewisse Bekanntheit. Dabei leben seine Auftritte und Songs weniger von musikalischem Talent oder kreativen Ideen, sondern zielen vielmehr auf Provokation ab. So beispielsweise sein Lied „Claus Strunz“, in dem Boehm in Endlossschleife rappt, „als Ungeimpfter bist du hier der Nigger!“. Der Versuch, Reichweite über potenzielle Skandale und Provokationen zu generieren, wird beim ersten Hören der Musik offensichtlich.

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Reichsbürger sind mehr als nur Staatsfeinde: Extreme Rechte beim Namen nennen!

Aufgrund der Anmietung eines Vereinslokals im Frankfurter Stadtteil Riederwald ist die rechte Gruppe „Königreich Deutschland“ (KRD) derzeit Thema in den Medien. Die Initiative „Aufklärung statt Verschwörungsideologien“ (ASVI) hat sich im März dieses Jahres in einem ausführlichen Artikel mit den Aktivitäten dieser Gruppe beschäftigt. Der Artikel „Die Suche nach Seelenheil und neuem Leben“ ist auf unserer Homepage nachzulesen.

Die Gruppe „Königreich Deutschland“ wird von uns gleichermaßen den Spektren von Esoterik und sogenannten „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ zugeordnet. Tatsächlich steckt hinter dem Fantasiegebilde des „Königreich Deutschland“ die Idee eines monarchistischen Staatswesens. Dieses ist mitnichten an einem „Gemeinwohl“ interessiert, wie es das KRD behauptet, sondern autoritär strukturiert.

Die Gruppe muss als eine Psycho-Sekte gesehen werden, in der ein Führungskreis Anhänger*innen und Sympathisant*innen systematisch manipuliert und ausbeutet. Im Rhein-Main-Gebiet stellt David Ekwe-Ebobisse eine charismatische Führungspersönlichkeit der Gruppe dar, die Personen in seinem Umfeld sind – soweit feststellbar – in persönlichen Lebenskrisen zu ihm und dem KRD gestoßen und scheinen ihm geradezu hörig zu sein.

Unsere Kritik am KRD macht sich darüber hinaus an der wissenschaftsfeindlichen Haltung fest, die bei deren Anhänger*innen festzustellen ist. Diese ist in den Spektren von Corona-Leugner*innen, Verschwörungsgläubigen, Impfgegner*innen, Reichsbürgern und Esoterik typisch. Die dort herrschenden Meinungen zu Medizin, Gesundheit und Corona-Maßnahmen sind nicht „kritisch“ oder „skeptisch“, sondern sie sind gesellschaftsfeindlich, reaktionär und antisemitisch.

So finden sich im KRD fast durchweg Anhänger*innen der Germanischen Neuen Medizin des fanatischen Antisemiten Ryke Geerd Hamer. Dessen unwissenschaftliche „germanische Heilslehre“ basiert auf dem Verschwörungsmythos, dass die moderne Medizin – und insbesondere Impfungen – eine Waffe der „Talmud-Zionisten“ sei, um die nichtjüdische Bevölkerung umzubringen.

Die Geschäftemacherei beim „Königreich Deutschland“

Viele Angehörige des KRD vermarkten sich – ohne entsprechende Ausbildungen – als „Heiler“ und „Heilerinnen“ sowie als Lebens- und Gesundheitscoaches. Sie vertreten dabei regressive Positionen. Gesundheitsfürsorge wird von ihnen nicht als gesellschaftliche, sondern als rein individuelle Aufgabe angesehen. Krankheit und schlechte Ernährung sind demnach keine Frage sozialer Verhältnisse, sondern Folge individuellen Versagens oder schlechtem Karma. Faktoren wie schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen, Klassenverhältnisse und ungleiche Zugänge zu Bildung und medizinischer Versorgung bleiben unbeachtet.

Wir erkennen im KRD ein Netzwerk professioneller Betrüger*innen und Hochstapler*innen. Es ist im kapitalistischen Wettbewerb durchaus üblich, Menschen haltlose Versprechen zu machen, um ihnen bestimmte Produkte anzudrehen. Doch wenn selbsternannte Gesundheitsexpert*innen aus den Reihen des KRD und anderen esoterischen Gruppen schwerkranken und verzweifelten Menschen medizinische Therapien ausreden, um ihnen unwirksame Scharlatanerie-Produkte und -Therapien teuer zu verkaufen, dann verabscheuen wir dies in besonderen Maße.

Jenseits von abstrakter „Staatsfeindlichkeit“: Reichsbürger haben eine extrem rechte Ideologie

Neben Hinweisen auf die betrügerischen Geschäftspraktiken des KRD stand in den vergangenen Tagen in einigen Medien im Rhein-Main-Gebiet der Aspekt im Mittelpunkt, dass das KRD den deutschen Staat ablehnt, demnach staats- und verfassungsfeindlich sei. Dies ist allerdings nicht der Kern unserer Kritik am KRD.

Der Fokus auf die „Staatsfeindlichkeit“ stößt ins Horn des Inlandsgeheimdiensts („Verfassungsschutz“), der zur Beschreibung der Reichsbürgerbewegung eigens die Kategorie der „Delegitimierung des Staates“ geschaffen hat. Diese Kategorie funktioniert ganz im Sinne der „Extremismustheorie“ des Geheimdienstes und ist – bzw. wird es in der Zukunft stärker sein – übertragbar auf Gruppen verschiedener politischer Spektren, die die staatliche Autorität und staatliche Maßnahmen in Frage stellen. Und sie blendet die Ideologie der Reichsbürger und der ihrem Milieu zugehörigen „Selbstverwalter“-Gruppen aus, deren antidemokratisches Denken, Gesellschaftsfeindlichkeit, Biologismus, Sozialdarwinismus, Verschwörungsglauben und Antisemitismus. Diese Ideologie ist im Kern als extrem rechts einzustufen und nicht etwa ein gesondertes, kürzlich entstandenes Phänomen eines abstrakten „Extremismus“.

Zudem: Reichsbürger sind aus der extremen Rechten entstanden. Ihre Szene verfügt über zahlreiche Verknüpfungen in neonazistische oder rechtsesoterische Spektren und ist ideologisch anderen extrem rechten Strömungen nahe. Das beweist auch die jüngst aufgeflogene Reichsbürger-Gruppe „Patriotische Union“, die einen Staatsstreich geplant haben soll. Ihr gehörten unter anderem AfD-PolitikerInnen, Anhänger des Qanon-Verschwörungsmythos, Aktivisten der „Corona-Proteste“ und Neonazis an.

Symbole der Reichsbürger-Szene sind inzwischen auf Demos der Corona-Rechten bei Weitem keine Seltenheit mehr, wie hier am 17. April 2021 in Wiesbaden. Links auf dem Foto Jonny Lack, Anführer der rechten Bruderschaft ESLR aus dem Raum Gießen. Auch weitere ESLR-Mitglieder und der mittelhessische Neonazi Manuel Mann standen bei dieser Gruppe.

Den Blickwinkel erweitern: „Corona-Rechte“ und rechter „Libertarismus“

Ein Tummelplatz der Reichsbürger und Selbstverwalter ist seit dem Frühjahr 2020 das Milieu der Corona-Leugner*innen und Impfgegner*innen, das sich zu einer rechten Bewegung geformt hat. Auch dieses wird von den Inlandsgeheimdiensten unter der Kategorie der „Delegitimierung des Staates“ behandelt und darüber entpolitisiert. Auch hier zeigt sich die analytische Schwäche dieser Behörden: Die dort vorhandene ideologische und thematische Gemengelange wird nicht als das erkannt, was sie ist, nämlich als ein rechter Angriff auf die Gesellschaft. Sondern sie wird analytisch von der Szene des „Rechtsextremismus“ getrennt, was eine offensichtlich falsche Einschätzung ist.

Bei den Betrachtung rechter Gruppen, die sich Staat und Verfassung entziehen wollen, wird ein politisches Milieu häufig übersehen: Der sogenannte rechte „Libertarismus“. Dessen „freiheitliche“ Idee besteht im Wesentlichen darin, dass Besitzende und Reiche andere Menschen ohne jegliche Regulierung durch einen demokratischen Staat beherrschen und ausbeuten können.

So fordern beispielsweise führende Personen der „Atlas – Initiative für Recht und Freiheit“ (kurz: „Atlas-Initiative“), die bis 2022 ihren Sitz in Frankfurt hatte, die Auflösung aller Reste des Sozialstaates und sie stellen das allgemeine Wahlrecht in Frage, indem sie beispielsweise Empfänger*innen staatlicher Transferleistungen davon ausschließen wollen. Sie proklamieren die Schaffung von außerstaatlichen „Privatstädten“ und Sonderzonen, in denen sich die herrschende, über Besitz und Reichtum verfügende Elite eigene Exekutive, Legislative und Gesetze schafft. Die Protagonist*innen dieser Ideen sitzen in Frankfurt und anderen Orten in den Führungsgremien diverser Unternehmen, in Anwaltskanzleien oder Kunstgalerien. Sie sind politisch erheblich einflussreicher als die Gruppe des KRD.

Für den Geheimdienst sind die erklärten Staats- und Verfassungsfeinde der Atlas-Initiative und ihr nahe stehender Gruppen, anders als jene von „Königreich Deutschland“, bislang kein Thema. Für die Öffentlichkeit, die sich heute in Anbetracht der Reichsbürgerbewegung um die Stabilität des Staates sorgt, sollten sie es jedoch sein.

Aus einer emanzipatorischen Perspektive müssen Ideologien der Ungleichwertigkeit ohnehin vor dem Hintergrund be- und verurteilt werden, wie sie Gesellschaft hierarchisieren, spalten und zersetzen – und nicht im Hinblick darauf, welches Verhältnis sie zum Staat und seinen Institutionen haben.

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Zwischen Sommerloch und „Wutherbst“: Die Corona-Rechte zwischen Juli und September 2022

Der Trend der vergangenen Monate ließ es bereits erwarten und auch der Rückblick auf die Sommermonate der beiden letzten Jahre seit Beginn der Pandemie deutete darauf hin: Die Zahl der Teilnehmenden der Corona-Demonstrationen ist über den Sommer 2022 weiter gesunken. Für Frankfurt bedeutet dies, dass im Vergleich zum Winter nur noch verhältnismäßig wenige Demonstrationen aufrecht erhalten wurden und die samstäglichen Demonstrationen im August teilweise nur noch knapp 100 Teilnehmende anziehen konnten. Auch im Schnitt kam man zwischen Juli und August kaum auf mehr als 150-200 Personen bei der zentralen Demonstration am Wochenende, die beim touristischen und auf Shopping bedachten Publikum in der Innenstadt zudem überwiegend Desinteresse erzeugt. Das bedeutet aber nicht, dass die Szene untätig ist: Zurzeit finden gleich zwei Samstags-Demonstrationen statt, daneben donnerstags „Mahnwachen“ am Hessischen Rundfunk und auch zu einer Pro-Russland-Demo am 18. September wurde mobilisiert – wenngleich die Teilnehmer*innenzahl der Demo eher resigniert zur Kenntnis genommen wurde. Im Monat September konnten mit den zwei gleichzeitig stattfindenden Demonstrationen Samstags wieder etwas mehr Personen erreicht werden und die Summe der Teilnehmenden stieg auf bis zu 230 Personen an.

Schon seit dem Frühling ist zu beobachten, dass von Seiten der Organisator*innen nach einer Antwort auf die stetig sinkende Mobilisierungskraft gesucht wird. Während diese im Frühsommer noch daraus bestand, möglichst lange Routen in der Stadt anzumelden und gewisse Strecken teils mehrfach abzulaufen, hatte man sich für den Sommer 2022 ein „erweitertes Samstagskonzept“ zurechtgelegt. So wurde Ende Juli angekündigt, dass die wöchentlichen Demonstrationen wie gewohnt fortgesetzt, jeden ersten Samstag im Monat jedoch besonders groß nach Frankfurt mobilisiert werden solle – für alle, „die mit möglichst Tausenden demonstrieren möchten“. Dieser Versuch kann inzwischen als offensichtlich gescheitert bezeichnet werden, da aktuell schon eine Zahl von 1.000 Demonstrierenden in weite Ferne gerückt ist. Trotzdem lassen sich weitere Versuche der Organisator*innen erkennen, die vergangene Mobilisierungskraft zurückzugewinnen und Menschen mit anderen Themen zu erreichen.

Neben der Ablehnung von für die Proteste typischen Themen (keine „Impfpässe 3G 2G“) richtet sich dieses Transparent der „Frankfurter Plattform“/ Widerstand 4.0 beispielsweise auch – mitunter äußerst diffus – gegen „digitale Sklaverei“, „CO2-Abzocke“ oder „Gender-Ideologie“.

Im Mittelpunkt der Anfangsreden der Anmelder*innen steht mittlerweile die Beschwörung der eigenen Unbeugsamkeit. Man müsse bis zum Herbst durchhalten, wenn dann nach ihrer Vorstellung Zehntausende zu ihren Frankfurter Aufzügen strömen werden. Die Selbstinszenierung als „harter Kern“ hält die Szene zusammen, der Anstieg der Demonstrierenden im September fiel jedoch bestenfalls moderat aus.

Antisemitische Ausfälle beim Million March Ende Juni

Zuerst jedoch zur Ausnahme dieser Entwicklung: Diese bildet der sogenannte Million March am 25. Juni 2022. An diesem Tag zog eine „europaweit“ mobilisierte Demonstration durch die Frankfurter City, die an den ersten Million March anknüpfen sollte, der am 23. Januar 2022 in Brüssel stattgefunden hatte. Damals waren 50.000 Personen zusammen gekommen und es hatte schwere Ausschreitungen gegeben. In Frankfurt waren es nun 4.500 Teilnehmende. Mobilisiert hatte das Netzwerk Europeans United, das im Rhein-Main-Gebiet vor allem von der unvermeidlichen Ingrid Reich aus Neu Anspach vertreten wird. Im Rahmen der Demonstration kam es – wie schon bei einigen Aufzügen zuvor – zu antisemitischen Ausfällen. Die Frankfurter Rundschau berichtete am 27. Juni darüber und auch die antifaschistische Gruppe AK.069 griff dies in einer Veröffentlichung vom 13. September 2022 nochmals auf. Zwei kurze Beispiele dazu: Laut der Frankfurter Rundschau habe am Startpunkt der Demonstration ein Moderator gefragt, ob jemand von der „Judenpresse“ da sei, der er ein Interview geben könne. Auch rief Alexander Ehrlich, ein führender Protagonist der Corona-Rechten in Österreich, in seinen Telegram-Kanal zum „Protest in der Finanzmetropole gegen Lobbyismus, Korruption und Ausbeutung“ auf. Er schrieb, die Demonstration sei eine „klare Ansage an das Kapital“ und: „#Europeansunited, dann können wir die #Zinsknechtschaft überwinden“. Das Wort „Zinsknechtschaft“ geht zurück auf die antisemitische Schrift „Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft“ von 1919, die großen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik im Nationalsozialismus hatte. Der Begriff ist untrennbar mit antisemitischer Typisierung verbunden und mit der (mitnichten antikapitalistischen) Ansicht, dass lediglich der Zins beim Verleihen von Geld für die Übel des Kapitalismus verantwortlich sei.

Für den 22. Oktober ist eine Neuauflage des Events in Frankfurt angekündigt. Stand jetzt ist beim dritten Million March von einer ähnlichen Mobilisierung und denselben Inhalten auszugehen.

Gegen Antifa und „Lügenpresse“

Schon eine Woche nach dem Million March zeigte sich jedoch die im Vergleich inzwischen geringe Mobilisierungswirkung vor Ort, als am 02. Juli nur 280 Personen die Samstags-Demonstration besuchten. Die Zahl der Teilnehmenden sank von dort an Woche für Woche. Bei der Suche nach den hierfür Verantwortlichen gerieten Presse und Antifa in den Fokus. Nach Ansicht der Corona-Rechten würden diese unentwegt Lügen verbreiten, sowohl über die Pandemie als auch über „ihre“ Protestbewegung, die sich nicht genug beachtet und dennoch beständig diffamiert fühlt. Von Journalist*innen wird erwartet, dass diese das übernehmen, was auf den „Corona-Protesten“ als „Wahrheit“ verkündet wird und dass ihre Aufzüge so in Szene gesetzt werden, wie sie es sich wünschen. Wer dies nicht befolgt wird wahlweise als Antifa, „Systemling“, „Lügenpresse“ oder eben auch als „Judenpresse“ bezeichnet.

Die Arbeit von Pressevertreter*innen wird beständig von den Demonstrationsteilnehmenden erschwert und verunmöglicht. Neben verbalen Ausfällen werden Pressevertreter*innen regelmäßig abgedrängt, bespuckt oder auch körperlich attackiert.

In den vergangenen Wochen führten die Demonstrationsrouten an den Samstagen immer wieder an den Verlagshäusern und Redaktionsräumen bekannter Medien vorbei. Auch wird seit dem 14. Juli 2022 vom selbsternannten Aktionsbündnis Leuchtturm ARD jeden Donnerstag vor dem Hessischen Rundfunk demonstriert. Zeitweise waren es knapp 50 Personen um Ingrid Reich, die sich dort zusammenfanden, mittlerweile ist die Zahl auf unter 20 gesunken. Ein Transparent von Leuchtturm ARD fand sich über mehrere Wochen bei den samstäglichen Demonstrationen. Die Ablehnung gegenüber kritischer Presse äußerte sich nicht nur verbal und inhaltlich durch das Transparent, sondern auch in Form direkter Angriffe von Menschen aus dem Umfeld eben dieses Transparentes auf Pressevertreter*innen.

Das Transparent von „Aktion Leuchtturm ARD“ auf den Demonstrationen vom 18.06.2022 und 06.08.2022.

Vor allem bei den Samstags-Demonstrationen werden häufig Journalist*innen beleidigt, bedrängt, bespuckt und angerempelt. Ständig wollen Teilnehmende Strafanzeigen gegen Pressefotograf*innen stellen, weil sie – in völliger Unkenntnis des Presserechts – überzeugt davon sind, dass sie nicht fotografiert werden dürfen. Auch wird die Polizei aufgefordert, Fotograf*innen, die nicht zum Kreis der Corona-Rechten gehören, zu entfernen. Damit haben die Corona-Rechten zunehmend Erfolg. Aus Frankfurt und mehreren Orten des Frankfurter Umlands melden Pressevertreter*innen, sie würden von der Polizei aufgefordert, Abstand zu halten und nicht zu provozieren, ungeachtet der Tatsache, dass die Teilnehmenden der Demonstrationen stets aggressiv auf die Journalist*innen zugehen und diese teils umringen. Das Verhalten der Polizei ist höchst problematisch: Sie erkennt in den Übergriffen auf Journalist*innen lediglich eine Störung der Veranstaltung, die ihnen unnötig Arbeit bereitet und darüber behoben werden kann, dass man die Parteien räumlich voneinander trennt. Der Schutz des Presserechts spielt dabei für sie keine Rolle. Im Gegenteil bestärkt diese Art polizeilichen Handels diejenigen, die Journalist*innen bedrängen, noch, da der Eindruck entsteht, dass nur lange genug gepöbelt werden müsse, damit Journalist*innen von der Polizei beiseite genommen und auf ihre „Provokationen“ angesprochen werden – und nicht etwa diejenigen, die bedrängt werden. Am 18. Juni und am 06. August kam es in Frankfurt gar zu tätlichen Angriffen auf Pressefotografen, zwei Personen aus den Reihen der Corona-Rechten wurden dabei von der Polizei festgenommen.

Prorussische Positionierung

Während Antisemitismus und Pressefeindlichkeit für die Corona-Rechte seit ihrer Entstehung charakteristischsind und sich mal mehr, mal weniger offen ausdrücken, kamen im Jahr 2022 weitere inhaltliche Punkte hinzu. So die Positionierung zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, die bei den Corona-Rechten – von autoritären Persönlichkeiten wie Putin angezogen – entsprechend pro-russisch ausfällt. Äußerte sich dies zu Beginn des Krieges noch über die vielfach gezeigten russischen Flaggen, finden sich nun viel eher Plakate, die beispielsweise die Wiederaufnahme diplomatischer Gespräche zwischen den Kriegsparteien, die Beendigung der Sanktionen der westlichen Staaten gegenüber Russlands, den Stopp westlicher Waffenlieferungen an die Ukraine oder die sofortige Öffnung der Gaspipeline Nord Stream 2 fordern. Neben der grundsätzlich pro-russischen Einstellung zeigt sich hier die egoistische und anti-solidarische Grundhaltung der Corona-Rechten, für die zuallererst das eigene Wohl und die eigene Freiheit zählen.

Am 18. September hatten mehrere Gruppen aus dem Spektrum der Corona-Rechten und ein neu gegründeter „Verband der Russlanddeutschen in Hessen“ zu einer Kundgebung auf dem Opernplatz mit anschließender Demonstration aufgerufen. 270 Personen nahmen daran teil, viele von ihnen hatten bereits am Tag zuvor in der Frankfurter City auf zwei Aufzügen der Corona-Rechten demonstriert. Auch hier war das Credo der (durchweg männlichen) Redner: Die Sanktionen gegen Russland aufheben und Nord Stream 2öffnen, damit die deutsche Wirtschaft nicht leidet und die Energiepreise sinken. Für sie heißt es also übersetzt: „Deutschland zuerst“.

Dieser Egoismus in wirtschaftspolitischen Fragen knüpft an berechtigte Ängste in Anbetracht der steigenden Energiepreise an, die sich in breiten Gesellschaftsschichten finden. Doch enthält die Position weder Spurenelemente von Kapitalismuskritik noch Ideen in Bezug auf Verteilungsgerechtigkeit.

Bewegung von rechts

Beginnend im Frühling des Jahres finden sich immer mehr Plakate bei den Demonstrationen der Corona-Rechten, die sich gegen „Gender-Gaga“, vermeintliche „Frühsexualisierung“ von Kindern oder eine „Gender-Ideologie“ richten – allesamt Schlagworte, die aus dem Repertoire der klassischen Rechten kommen. Eine Rede, die am 17. September mehrfach vom Band abgespielt wurde, propagierte, dass es nur die zwei Geschlechter Mann und Frau geben könne. Für einen Zusammenhang, der sich Frankfurter Plattform nennt, sind „Gender-Ideologie“, LGBTQ und gleichgeschlechtliche Partnerschaften Schritte auf dem Weg zum „technokratischen Faschismus“. Die Frankfurter Plattform war im Juni 2022 unter maßgeblicher Beteiligung des sich links verstehenden Grüppchens Widerstand 4.0 entstanden.

Die Teilnehmenden der Demonstrationen positionieren sich zunehmend gegen „Gender-Gaga“ und zeigen ihre Ablehnung in typisch neurechter Manier gegen progressiv-feministische Werte.

Das Verhältnis zur AfD hat sich mittlerweile sichtlich entspannt. Seit dem Sommer werden Bekenntnisse zur AfD offen gezeigt, teilweise befinden sich diese sogar am Lautsprecherwagen. Am 6. August 2022 war Ralf Bühler aus Nussloch bei Heidelberg Hauptredner der Abschlusskundgebung am Opernplatz. Bühler ist ein bekannter Protagonist der AfD und ein geübter Demagoge und betrieb das mittlerweile übliche Themen-Hopping. Von den Corona-Maßnahmen schwenkte er zum Ukraine-Krieg, von dort zur Energie-Krise und hetzte dann ausgiebig gegen die Feierlichkeiten zum Christopher-Street-Day. Denn diese würden angeblich von einer Gruppe unterstützt, die Straffreiheit für Sex mit Kindern fordern würde. Das Empörungs-Level unter den Teilnehmenden stieg jäh an.

Plakate der AfD oder etwa von Björn Höcke finden sich mittlerweile offen am Lautsprecherwagen und werden interessiert zur Kenntnis genommen.

Einige weitere rechte Themen finden in der Bewegung ihren Platz. Bisweilen ertönen Parolen gegen Abtreibung, beim Million March fand sich zudem – unbeanstandet – an einem Wagen ein Plakat gegen „Masseneinwanderung“. Auch Themen wie Klimaschutz und erneuerbare Energien sind der Bewegung ein Dorn im Auge. In seiner Rede am 18. September auf dem Opernplatz ereiferte sich der Redner Chris Barth von Querdenken 615 aus Darmstadt über „ökoextremistische Träume eine klimaneutralen Gesellschaft“, die von den „Linksextremisten“ in der Redaktion der taz vertreten würden.

Es stellt sich die Frage, ob die Benennung dieser Bewegung als Corona-Rechte noch zeitgemäß ist, da sie diese zu sehr auf ein politisches Thema reduziert. Oder ob präziser von einer „rechten Bewegung“ gesprochen und geschrieben werden sollte.

Nicht nur die Corona-Maßnahmen werden von den Demonstrierenden abgelehnt. Ebenso zeugt dieses Plakat von einer ablehnenden Haltung gegnüber der Ukraine, Verachtung von Gendersensibilität, sowie von der Infragestellung des Klimawandels, was sich insgesamt zu einem ideologisch (neu-)rechten Mix vermischt.

Ausblick

Zur Zeit ist der vermeintliche anstehende „heiße Herbst“ oder „Wutherbst“ in aller Munde. Hohe Energiekosten und steigende Inflation bieten nach Einschätzung vieler den idealen Nährboden für das in den vergangenen Jahren entstandene Wutbürger*innentum, das in den Corona-Demonstrationen seinen aktuellen Ausdruck hat. Zum Stand September kann in Frankfurt jedoch noch kein Erstarken der Corona-Rechten erkannt werden. Aktuell verbleibt ein harter Kern im niedrigen dreistelligen Bereich, der sich zudem in zwei wöchentliche Demonstrationen am Samstag gespalten hat, die die letzten Wochen in einer Stärke von jeweils 80 bis 130 Personen – zusammen nur wenig mehr als 200 – durch die City zogen. Da sich jedoch auch in den vergangenen beiden Jahren der Winter inklusive der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie als Höhepunkt des Demonstrationsgeschehens herausgestellt hat, bleibt aktuell abzuwarten, inwiefern soziale Themen von der Corona-Rechten erfolgreich besetzt und in eine Mobilisierung auf der Straße umgewandelt werden können. Ohne Zweifel steht Frankfurt jedoch spätestens am 22. Oktober, dem Termin für den dritten Million March, die nächste Großmobilisierung der Szene bevor. Möglicherweise wird sich bis dahin zeigen, inwiefern die inhaltliche Neuaufstellung der Szene Erfolg hat und ob die im erweiterten Umland weiterhin konstant stattfindenden wöchentlichen Kleinstdemonstrationen den harten Kern langfristig binden können. Wir fordern dazu auf, sich dem zweiten Million March in Frankfurt aktiv entgegenzustellen und die sich zunehmend antisemitisch, rassistisch und sexistisch positionierende Corona-Rechte nicht noch einmal weitestgehend ungestört durch Frankfurt laufen zu lassen.

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Der Hokuspokus-Handel: Esoterik, Marketing und rechte Ideologien

Der dritte Teil der Serie „Geschäfte mit der Angst“ befasst sich mit Verlagen, Versänden und Läden im Rhein-Main-Gebiet, die rechte Verschwörungsmythen (nicht nur) zur Corona-Pandemie verbreiten. Wir haben uns in den vergangen Wochen unter anderem die Sortimente etlicher Verlag, Buchläden und Versandhandlungen in der Region angesehen und sind auf einer Esoterik-Messe gewesen. Für diesen Artikel haben wir uns auf Beispiele beschränkt, bei denen das Zusammenspiel zwischen Esoterik, Verschwörungsdenken und rechten Ideologien besonders deutlich wird.

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Die Mobilisierungskraft schwindet: Die Corona-Rechten von April bis Juni 2022

Die Aktivitäten der Corona-Rechten in Frankfurt nahmen in den vergangenen Wochen weiter ab. Die Demonstrationen in den Stadtteilen, die zeitweise in Bockenheim, dem Gallus, Heddernheim, Sachsenhausen, Höchst und Bornheim stattfanden, sind nun weitestgehend eingestellt. Nur montags und samstags finden noch Demonstrationen in der City statt. Die Samstagsdemonstration erreicht noch dreistellige Teilnehmer*innenzahlen; sie liegt derzeit zwischen 250 und 300 Personen. Die Außenwirkung ist dadurch stark begrenzt, das geschäftige Treiben in der Frankfurter Innenstadt an den Samstagen wird kaum mehr gestört. Zeitweise versucht man, mit langen Routen, die teils mehrfach Römer und Paulsplatz umrundeten, sichtbarer zu werden.

Die Demos wirken zunehmend eingefahren und mutlos. Es scheint kaum zu gelingen, gegen die schwindende Motivation der eigenen Anhänger*innenschaft zu wirken: So wird zu Beginn der Aufzüge mitunter eine halbe Stunde benötigt, Personen zu finden, die Flugblätter verteilen oder das Front-Transparent tragen. Offenbar sind größere Überredungskünste nötig, um Menschen dafür zu gewinnen. Die Inszenierung der Sargträger*innen (siehe letztes Update) wurde reduziert und findet manchmal gar nicht mehr statt.

Bargeldabschaffung, Waffenlieferungen an die Ukraine, Energiekrise, Corona-Politik und manches mehr sind nach Ansicht der Corona-Rechten nur verschiedene Facetten einer Verschwörung von „Kriegsstrategen“. Die Transparente wurde auf der Demonstration der Corona-Rechten am 4. Juni 2022 in Frankfurt gezeigt.

Wie bereits im vergangenen Jahr versucht man der schwindenden Mobilisierungskraft durch größere, zentrale Events zu begegnen. Die Aktionen um das Hambacher Schloss am 28. Mai, als weißgekleidete Verschwörungs-Demonstrant*innen ein „Demokratiefest“ belagerten und stürmten, künden davon ebenso wie der großspurig angekündigte, angeblich europaweit mobilisierte „Million March“, der am 25. Juni in Frankfurt stattfinden soll.

Neue Etiketten

Das Etikett einer „Friedensdemonstration“ und einer „Friedensbewegung“ setzt sich bei den Corona-Rechten in Frankfurt nicht durch. In den Reden und auf Transparenten wird nur vereinzelt auf den Krieg gegen die Ukraine eingegangen, wobei nach wie vor die Positionierung pro Putin, bzw. die Übernahme staatlicher russischer Propaganda, dominiert. Ansonsten erschöpft sich das Eintreten für Frieden in Symbolik und Phrasen.

Pro-Russland- und Pro-Putin-Positionen im Krieg gegen Ukraine werden von einem Anhänger der Gruppe Widerstand 4.0. antifaschistische verpackt, hier auf 23. April 2022 auf einer Demonstration der Corona-Rechten in Frankfurt. Foto: ASVI

Die Inszenierung mit Peace-Fahnen und Friedenstauben dürfte jedoch ein Grund sein, dass sich  Gruppen, die explizit der extremen Rechten zugehören, in den letzten Wochen sukzessive aus dem Frankfurter Demonstrationsgeschehen zurückzogen: In den Augen rechter Rocker, der AfD oder der Identitären Bewegung mag es zu hippiesk erscheinen, was sich da auf den Straßen Frankfurts sammelt. Auch die Gadsden Flags, Symbol eines rechten „Libertarismus“ (siehe Update „Die Corona-Rechten im Februar 2022“), sind verschwunden. Selbst die Gruppierung StudentenStehenAuf, die im Milieu der Corona-Rechten entstand, wird nur noch von einzelnen Personen repräsentiert.

Am 4. Juni wurde die Route geändert und der Akzent verschoben. Die Demonstration führte an der Europäischen Zentralbank vorbei, wo eine Rede gehalten wurde. Die EZB gerät in den Fokus, da sie in den Augen der Corona-Rechten die Abschaffung des Bargelds forcieren würde und an der Inflation schuld sei. Darin mag mehr als ein Korn Wahrheit stecken, doch findet sich in den Aussagen der Corona-Rechten nicht einmal ein Spurenelement einer Kritik am Kapitalismus. Auch soziale Themen bleiben nach wie vor komplett außen vor. Stattdessen werden die Themen Corona-Politik, Krieg gegen die Ukraine, Energiekrise, Nahrungsmittelknappheit, Inflation, angebliche Bargeldabschaffung und manches mehr zu einem Verschwörungsbrei zusammengerührt, wonach alles von einer „globalistischen Elite“ planvoll gesteuert würde.

Aber auch das Thema EZB ist bisher nur ein Nebenschauplatz. In der Woche darauf erklangen wieder Parolen für und gegen die verschiedensten Themen. Auch Anti-Abtreibungs-Parolen waren zu hören, schließlich sind Schwangerschaftsabbrüche in den Augen einiger Verschwörungsfans ein bloßes Mittel der Herrschenden zur Bevölkerungskontrolle und nicht etwa Ausdruck körperlicher Selbstbestimmung von Schwangeren.

Doch grundsätzlich dreht sich der Output der Demos weiterhin im Wesentlichen um das Thema Corona. Wenn gleichzeitig die CoViD-bedingten staatlichen Maßnahmen weitgehend zurückgefahren werden, wird schnell klar, warum die Teilnehmer*innenzahlen sinken: Samstagnachmittage lassen sich doch schöner verbringen als auf den nicht enden wollenden Demos, bei denen sich der Öffentlichkeit gar nicht mehr vermittelt, wogegen eigentlich protestiert wird.

Souveränismus gegen den Westen

Der Vergleich zu den „Montagsdemos“ und „Friedensmahnwachen“ um das Jahr 2014 drängt sich unmittelbar auf. In den Reden und auf den Plakaten erfolgt eine eindeutige Positionierung gegen die NATO, den Westen und Waffenlieferungen an die Ukraine. Es dominiert die Ansicht, dass die deutsche Politik immerfort von fremden Interessen und Mächten geleitet werde und dass Deutschland gar kein selbstbestimmtes, souveränes Land sei. Wenn dies zum Narrativ und zum zentralen politischen Inhalt wird, lässt sich von einer Ideologie des Souveränismus sprechen.

Dieser mit Ressentiments geladene Souveränismus integriert den Antiamerikanismus von Rechten und Friedensbewegten und schlägt die Brücke zur Reichsbürger-Ideologie. Voller Polemik wird gegen jede supranationale Organisation gewettert, egal ob die NATO, die Vereinten Nationen oder die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese Organisationen geltenausschließlich als Werkzeuge einer „globalistischen Elite“ zur Errichtung einer „Neuen Weltordnung“.

Als beispielhaft für die souveränistische Ausrichtung der Corona-Protestszene mag der skurrile Auftritt der Gruppierung Unsere Verfassung auf dem Frankfurter Paulsplatz am 11. Mai 2022 gelten: Eine Gruppe von Künstler*innen unter der Führung des Berliners Ralph Boes hatte angekündigt, in Leinenkutten und mit nicht mehr als einem Handkarren vom Berliner Reichstagsgebäude zum Karlsruher Verfassungsgericht zu laufen. Der Grund: „Unser Grundgesetz ist keine Verfassung! Weil es nicht vom Volk entschieden worden ist“ (Hervorhebungen im Original). Eine Volksabstimmung soll daher her, für eine neue Verfassung, „zur Erlangung unserer vollen Souveränität“. Das ist zwar kein Reichsbürger-Denken, denn der Bezug auf das Deutsche Reich fehlt. Aber es ist nah dran: Die Legitimität des Grundgesetzes wird in Zweifel gezogen und es als Symbol der Fremdbestimmung gedeutet. Als Alternative kommt nur eine neue Ordnung in Betracht.

Thomas Gauer von der Gruppierung Beweg Was am 11. Mai 2022 bei der Frankfurter Empfangskundgebung für die Reisegruppe von Unsere Verfassung. Foto: Doku.Netzwerk Frankfurt

Bei der Suche nach Unterkünften für die Reisenden von Unsere Verfassung half in Hessen der Linkspartei-Politiker Diether Dehm. Das Frankfurter Empfangskomitee am 11.Mai bestand aus knapp 70 Personen, darunter Christoph Barth von Querdenken615 aus Darmstadt und Thomas Gauer, führende Person der Gruppe Beweg Was. Beweg Was war 2018 als rechte Initiative entstanden, die sich vor allem gegen die staatliche Migrationspolitik wendete und das Bündnis mit der extremen Rechten nicht scheute. Schon zu Beginn der Corona-Proteste sprang Beweg Was auf diesen Zug auf und führte mit Schwerpunkt in Frankfurt „Schweigemärsche“ gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen durch.

„Wahrheit“ als treibendes Motiv

Es sind nicht nur Corona-Maßnahmen, Frieden und Selbstbestimmung, die die Demogänger*innen umtreiben. Die samstäglichen Aufzüge werden inzwischen als „Demo für Frieden, Freiheit und Wahrheit“ angekündigt, wobei die Betonung mittlerweile auf dem Wort Wahrheit liegt. So versucht sich die Szene als eine „Wahrheitsbewegung“ zu inszenieren.

Die unvermeidliche Ingrid Reich aus Neu-Anspach (siehe vorangegange Updates) verkündet und fordert einmal mehr die Wahrheit. Hier auf der Demonstration der Corona-Rechten am 28. Mai 2022 in Frankfurt. Foto: ASVI

Die Wahrheit ist hingegen das, woran man selbst glaubt. Hier mischen sich Selbstgefälligkeit und Beseeltheit von den Erkenntnissen, die man aus den eigenen Echokammern saugt. In diesem Zusammenhang wird immer wieder der Bogen zu den öffentlich-rechtlichen Medien geschlagen, die bezichtigt werden, bewusst Wahrheiten zurückzuhalten und Teil der großen Verschwörung zu sein. In Reden und auf Plakaten werden Kampagnen gegen die GEZ-Gebühren beworben, auch der Terminus von der „Lügenpresse“ taucht immer wieder auf.

Immer wieder Holocaust-Vergleiche

Die Frankfurter Rundschau berichtete in ihrer Ausgabe vom 30. Mai über einen antisemitischen Vorfall, der sich bei der Samstags-Demonstration am 28. Mai an der Alten Brücke ereignete. Ein Teilnehmerin hatte – so die FR – von der großen Weltverschwörung geredet und davon, dass sie genauso verfolgt würden wie Jüd*innen im Holocaust. Daraufhin wurde die Rednerin von einer Jüdin, die zufällig vor Ort war, aufgrund dieser Verhöhnung der Shoah laut als Antisemitin benannt. Die Frau berichtete der FR: „Sofort haben mich einige bedrängt, sind mit ihren Plakaten an mein Gesicht. Das war unglaublich. Ich hatte richtig Angst vor diesen Leuten. […] Ohne Polizei wäre ich mit Sicherheit auch körperlich attackiert worden, weil ich die Aussagen, der ,Querdenker‘ laut kritisiert habe.“

Die Erfahrung ist nicht neu. Die Corona-Rechten, die doch die ausschließliche Wahrheit für sich beanspruchen, ertragen keine Widerrede und keinen Dissens. Die Reaktion auf ihre Kritiker*innen ist in der Regel höhnisch, überheblich, zornig und oft auch aggressiv.

Das nächste Thema wird schon vorbereitet. Plakat am Lautsprecherwagen auf der Demonstration der Corona-Rechten in Frankfurt am 4. Juni 2022. Foto: ASVI

Noch längst keine Entwarnung

Es ist zu früh, die Corona-Rechten abzuschreiben. Bereits im vergangenen Jahr waren mit dem Beginn der warmen Jahreszeit die Demonstrations-Aktivitäten der Corona-Rechten stark zurückgegangen – und sie kamen im Herbst mit dem Beginn einer neuen Coronawelle und neuen staatlichen Maßnahmen mit voller Wucht zurück. Und etwas ist anders als im Vergleich zum letzten Jahr: Es haben sich nun über Monate viele Leute kennengelernt und vernetzt. Sie wissen wie viele und wie stark sie sein können. Sie haben gemeinsam politische Erfahrung und Knowhow gesammelt und Strukturen geschaffen. Diese müssen bei Bedarf nicht mehr mühsam aufgebaut sondern womöglich nur noch reaktiviert werden. Antifaschist*innen sollten nicht den Fehler machen, das Kapitel der Corona-Rechten zu schließen und die Bewegung aus den Augen zu verlieren. Immerhin entsteht derzeit in diesem Milieu eine regelrechte Projekte-Landschaft aus eigenen Schulen, Genossenschaften, Firmenverflechtungen sowie Wohn- und Siedlungsinitiativen, die die Stärkung rechter Infrastruktur zur Folge haben wird.

Auch im Umland findne nach wie vor Demonstrationen von Impfgegner*innen und Pandemie-Leugner*innen statt. Eine rechte Teilhabe ist dort häufig deutlicher zu erkennen. So wurde nach Auskunft ein „Aufzug mit Musik und Kundgebung“ am 21. Mai 2022 in Bad Nauheim von Jochen Amann aus Büdingen (Wetteraukreis) angemeldet. Amann war 2021 bei den Kommunalwahlen auf der Liste der AfD ins Büdinger Stadtparlament eingezogen und sitzt dort heute als fraktionsloser Abgeordneter. Die Nähe von Amann zu Neonazis wurde im März 2022 deutlich. Amann hattte gegen die Stadt Ortenberg (Wetteraukreis) geklagt, die die von ihm angemeldete Route eines „Spaziergangs“ gegen die Corona-Maßnahmen nicht genehmigt hatte. In diesem Rechtsstreit wurde Amann durch den Anwalt Peter Richter vertreten, der stellvertretender Vorsitzender der NPD im Saarland ist. An der Demonstration am 21. Mai in Bad Nauheim nahmen über 300 Personen teil. Das Bild zeigt den AfD-Landesvorsitzenden Andreas Lichert (mit Fahrrad) und links in der Kleidung der Marke Thor Steinar Manuel Mann, der in der Vergangenheit einer der führenden Neonazis im Raum Marburg war. Foto: ASVI